Ärztinnen der ersten Generation: Hermine Heusler-Edenhuizen

Im Jahr 2024 folgen wir den Spuren von zwölf bekannten Ärztinnen „der ersten Generation“. Dazu begeben wir uns an Orte in Berlin, an denen die Frauen gelebt und gewirkt haben. Im Mittelpunkt der Exkursion im Mai steht Hermine Heusler-Edenhuizen (1872–1955).

Ärztinnen der ersten Generation

Fern von jeglichem Einfluß frauenrechtlicher Ideen bin ich in einem kleinen ostfriesischen Dorf, Pewsum bei Emden, aufgewachsen …

Hermine Heusler-Edenhuizen

Mit diesem Satz beginnt Hermine Heusler-Edenhuizen ihre Autobiographie, in der sie auf knapp 200 Seiten „ihren Weg von der ostfriesischen Kindheit als 'höhere' Tochter im Kaiserreich zu einer der bekanntesten Ärztinnen in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen“ beschreibt.

Diese Lebenserinnerungen sind auch heute, 70 Jahre nach ihrer Entstehung und nach dem Tod von Heusler-Edenhuizen lesenswert, weil sie zeigen, wie sie trotz persönlicher Lebenskrisen und zahlreicher Hindernisse auf dem Weg zum medizinischen Staatsexamen dann auch zur (ersten) bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland fand.

Von den frauenrechtlichen Ideen „infiziert“ wurde sie als Einundzwanzigjährige in einer Emdener Buchhandlung, wo ihr das erste Heft der „[…] Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit“, die von Helene Lange herausgegebenen wurde, in die Hände fiel. Das war im Oktober 1893. Sie las den programmatischen Seite-1-Artikel „Was wir wollen“ der Herausgeberin, der mit den beiden Sätzen beginnt: „Es gibt Worte, die an und für sich ein ganzes Programm bedeuten, besonders wenn ihnen die Zeitströmung eine bestimmte Färbung verleiht. So ist es mit dem Titel unserer Zeitschrift: Die Frau …“.

In diesem Heft fand Heusler-Edenhuizen unter der Rubrik „Frauenleben und -Streben“ einen Hinweis auf die neu eingerichteten Berliner „Gymnasialkurse für Frauen“. Diese Notiz habe ihn ihr den Plan reifen lassen, so erinnerte sie sich Jahrzehnte später, diese Kurse zu besuchen, um dann Ärztin zu werden.

Helene Lange als Mentorin

Als Edenhuizens besorgter Vater, selbst Arzt, nicht bereit war, sie bei ihrem Plan, Medizin zu studieren, zu unterstützen, wandte sie sich verzweifelt an Helene Lange. Diese riet ihr, ihre Schulkenntnisse aufzufrischen und durch konsequentes Arbeiten dem Vater zu zeigen, dass sie es ernst meine. Und das gelang – ab 1894 besuchte Edenhuizen tatsächlich die sogenannten Gymnasialkurse in Berlin, die von Lange geleitet wurden. Ihre Begegnung mit der 24 Jahre älteren Pädagogin, Politikerin und Frauenrechtlerin war von großer Bedeutung für ihren weiteren Lebensweg. Lange wurde ihre Mentorin, ja zum Ersatz ihrer früh verstorbenen Mutter; unter ihrem Einfluss entstand das frauen- und bildungspolitisches Engagement Heusler-Edenhuizens, das ihr Leben lang anhielt.

Lange würdigte Heusler-Edenhuizen in einer längeren Passage ihrer „Lebenserinnerungen“. Sie schilderte deren Situation als sogenannte höhere Tochter, das Gefühl einer gewissen Nutzlosigkeit. Ziel für junge Frauen aus gutbürgerlichem Hause sollte ja die baldige Heirat mit einem möglichst wohlhabenden Mann und die baldige Mutterschaft, nicht aber ein Studium oder gar eine Berufsausübung sein. Bei Edenhuizen jedoch entwickelte sich ein sozialkritisches Bewusstsein „zunächst in ihrer Rebellion gegen das Dasein als 'höhere Tochter'. Ihr wacher Geist wehrte sich gegen die gesellschaftlich erzwungene Langeweile [und] den Bildungsmangel …“, so Lange in ihrer 1925 erschienenen Autobiographie.

Erste „Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ in Deutschland

Allen Widerständen zum Trotz wurde Heusler-Edenhuizen die erste in Deutschland ausgebildete „Spezialärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“. Das konnte sie letztlich nur erreichen, weil ihr das mütterliche Erbe die Finanzierung des langjährigen Ausbildungsweges: Vier Jahre Gymnasialkurse, gefolgt von einem sechsjährigen Medizinstudium und der sich anschließenden dreijährigen, unbezahlten Zeit als Volontärärztin ermöglichte.

Sie war an der Universitäts-Frauenklinik Bonn die erste bezahlte Assistenzärztin Deutschlands; die Ausbildung zur „Spezialärztin“ dauerte nochmals vier Jahre: „Im April 1909 ließ ich mich in Köln nieder und zwar als erste 'Fachärztin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe' in Deutschland …“, schrieb Heusler-Edenhuizen in ihren Lebenserinnerungen.

Nach wenigen Monaten wechselte sie nach Berlin, wo man an der „Klinik weiblicher Ärzte“, einer Belegklinik in der Kyffhäuser Straße, die ausschließlich von Ärztinnen betrieben wurde, eine Operateurin suchte. Im gleichen Haus hatte Heusler-Edenhuizen auch eigene Praxisräume. Ab 1911 wohnte das Ehepaar Drs. Heusler für 26 Jahre in der Rankestraße 35, wo beide auch praktizierten.

Am 30. November 2002 wurde dort eine Gedenktafel aus weißem KPM-Porzellan enthüllt, die Heusler-Edenhuizen auch als Gründungsvorsitzende des „Bundes deutscher Ärztinnen“, der im Herbst 2024 sein 100-jähriges Bestehen feiern wird, nennt. Die damalige Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen sagte bei der Einweihungszeremonie über Heusler-Edenhuizen: „Sie war keine Frauenrechtlerin, und sie wollte auch keine Sonderrechte als Frau. Sie stellte nur einfach fest, dass ihre Leistung als Frauenärztin dringend gebraucht und nachgefragt wurde, und sie bestand darauf, diese Leistung erbringen zu dürfen. Sie musste dafür in der männerdominierten Welt der Wissenschaft und der Gesellschaft ihrer Zeit hart kämpfen und viele Vorurteile besiegen, aber sie tat dies nicht unter ideologischen Vorzeichen. Wenn sie eine Kämpferin für gleiche Rechte der Frauen auf Bildung und Beruf war, dann war sie es gleichsam nebenbei, unbeabsichtigt, weil sie kämpfen musste, um das zu erreichen, was sie als ihre Pflicht betrachtete, als die ihr aufgegebene Lebensaufgabe …“.

Der Kampf gegen § 218

Als eine Lebensaufgabe sah Heusler-Edenhuizen auch das Engagement für eine Änderung des § 218 StGB an: „In Zeiten wirtschaftlicher Not und dadurch bedingter Mutlosigkeit der Menschen wird die Abtreibungsfrage akut. So auch nach dem ersten Weltkrieg und in der Inflationszeit.“ Vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Spannungen gab es in der Weimarer Republik eine bis dahin und auch später nie dagewesene Massenbewegung gegen den § 218, deren Hauptziel eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse war, die Frauen in den Schwangerschaftsabbruch trieben. Im März 1931 war Heusler-Edenhuizen Rednerin auf einer Großveranstaltung in Berlin vor fast 4.000 Menschen. Hier nannte sie als Ursachen für die zahlreichen Verstöße gegen den § 218 die wirtschaftliche Not, gesellschaftliche Vorurteile und die „sexuelle Kulturlosigkeit des Mannes“.

Schon im Frühjahr 1930 war Heusler-Edenhuizen eine der Mitunterzeichnerinnen der „Reichstagseingabe der Groß-Berliner Ärztinnen zur Abschaffung des § 218“ gewesen. Sie forderten Straffreiheit bei Schwangerschaftsunterbrechungen, wenn diese „lege artis“ von einem approbierten Arzt durchgeführt werden. Die Ablehnung dieses Vorschlags vorausahnend, verlangten sie die Anerkennung der medizinischen, sozialen oder wirtschaftlichen Indikation mit folgender Begründung:

„Der § 218 des bisherigen StGB. trägt werde dem Volksempfinden Rechnung noch erreicht er in irgendeiner Weise seinen Zweck, praktisch ist er so gut wie unwirksam, da er weder die Mutter noch das keimende leben schützt. Wir sind entgegen den bevölkerungspolitischen Befürchtungen der Ansicht, daß die Aufhebung des §218 keinen Geburtenrückgang, sondern das Gegenteil bewirken wird […] Wir reden keinesfalls der leichtfertigen Abtreibung das Wort. Nach unserer Überzeugung wird der Wille zur Mutterschaft nicht durch Gesetzesparagraphen und Strafandrohung erzwungen, sondern er ist ein der Frau innewohnender Naturinstinkt, der wohl durch Not und Sorge zeitweise niedergehalten werden kann, nach deren Abklingen aber sich von selbst wieder voll entfalten wird…“.

Welche Position hätte Hermine Heusler-Edenhuizen wohl in der aktuellen Diskussion um den § 218 eingenommen?

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