Allgemein wird „Ärzt:innen-Zeit“ immer knapper, obwohl die Zahl der praktizierenden Ärzt:innen laut Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gestiegen ist. Falsch kalkulierte Ausbildungskapazitäten an den Universitäten, umfassende Dokumentationspflichten, die die Zeit in der Versorgung reduzieren, mehr Teilzeit-Arbeit, weil eine ausgeglichene Work-Life-Balance gewünscht wird – all diese Gründe haben die Arbeit von Ärzt:innen verändert. Gleichzeitig wächst die Nachfrage von zunehmend älteren und oft auch kränkeren Menschen.
Knappes Gut: Ärzt:innen-Zeit
Auch in Berlin gibt es Probleme mit der Ärzt:innen-Zeit. In den Berliner Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Köpenick ist beispielsweise die Zeit der Hausärzt:innen besonders knapp. Zwar gibt es politische Instrumente, die dieses Problem lösen sollen – etwa „Überweisungen mit Dringlichkeit“, vorgeschriebene Akutsprechstunden oder der „hausärztlicher Vermittlungsfall“ – sowie zusätzliche finanzielle Mittel von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV Berlin), wenn sich Ärzt:innen in weniger gut versorgten Bezirken niederlassen. Trotzdem hat sich an dem Termin-Problem bisher wenig geändert.
Dermatologische Expertise ist vor allem in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln schwerer zu bekommen als im übrigen Berlin. In diesen Bezirken liegt die Versorgung mit Dermatolog:innen nur bei 66 bis 75 Prozent. Allerdings ist der dermatologische Versorgungsgrad für ganz Berlin mit 109 Prozent deutlich höher, sodass die dermatologische Versorgung in der Stadt laut KV Berlin insgesamt auf einem hohen Niveau liegt. Dadurch können schlechter versorgte Bezirke aufgefangen werden.
Das funktioniert in Berlin durch die gute Anbindung an Bus und Bahn vermutlich besser als in Brandenburg. Dort ist der Mangel an Fachärzt:innen und insbesondere an Dermatolog:innen dramatischer: Während in Berlin derzeit „nur“ sechs dermatologische Kassensitze unbesetzt sind, fehlen in Brandenburg in acht von 16 Planungsbereichen Dermatolog:innen. In der deutsch-polnischen Grenzregion hat der Mangel an Hautärzt:innen sogar dazu geführt, dass Behandlungsmöglichkeiten, die die Barmer und die AOK Nordost für in Deutschland versicherte Menschen aus Polen in einem polnischen medizinischen Versorgungszentrum eingerichtet hatten, auch von deutschen Patient:innen genutzt wurden. Ende 2024 ließ die AOK diesen Selektiv-Vertrag jedoch auslaufen, da er nach Angaben der AOK Nordost zu unwirtschaftlich geworden war.
Dermatologie bei Studierenden unbeliebt
Dass es so wenige Dermatolog:innen gibt, liegt unter anderem daran, dass die Facharztausbildung in diesem Fach wenig attraktiv ist: Bei einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) unter rund 8.600 Medizinstudierenden zur Wahl ihres Weiterbildungsfachs landete „Dermatologie“ auf dem vorletzten Platz – nur die Augenheilkunde war noch unbeliebter. Dr. med. Thomas Stavermann, niedergelassener Dermatologe und Sprecher des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD), sieht einen Grund dafür in den begrenzten Unterrichtsstunden und der geringen Attraktivität, mit der das Fach im Studium dargestellt wird. Dadurch würden sich weniger Ärzt:innen nach ihrem Studium für die dermatologische Facharztweiterbildung entscheiden.
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Wenig Nachwuchs, wenig Weiterbildungsmöglichkeiten
Entscheiden sie sich dennoch dafür, ist es oft schwierig, eine Weiterbildungsstelle in einer Klinik zu finden. Laut Stavermann gibt es immer weniger Krankenhäuser, die eine Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt für Dermatologie anbieten. Fehlen diese Stellen, fehlen auch die Fachärzt:innen. Die Mediziner:innen mit abgeschlossener Weiterbildung, die dann den Mut haben, sich in eigener Praxis niederzulassen, wollen nur selten in strukturschwache Gebiete – trotz Kita- und Schulplätzen, mietfreien Praxisräumen oder zusätzlicher finanzieller Förderung. Es zieht sie mit dem Kassensitz in Gegenden mit privatversicherten und selbst zahlenden Patient:innen. Denn die Einnahmen, die pro Quartal über Kassenpatient:innen erzielt werden, sind so niedrig, dass sie auf Privatversicherte und Selbstzahler angewiesen sind, um bei den gestiegenen Personalkosten ausreichend zu verdienen.
Was braucht es für die Niederlassung?
Damit die Qualität der Gesundheitsversorgung trotz sich ändernder Altersstruktur von Versorger:innen und zu Versorgenden erhalten bleibt, muss sich etwas ändern. Neben der Entwicklung nachhaltiger Strukturen und einer nachhaltigen Finanzierung müssen die Bedingungen in den medizinischen Berufen attraktiver werden, damit sich junge Menschen für eine Ausbildung im Gesundheitsbereich entscheiden und auch langfristig dort arbeiten. Dies könnte beispielsweise durch gute Arbeitsbedingungen und Bürokratieabbau gelingen.
Fragt man den dermatologischen Nachwuchs selbst, was sich ändern müsste, damit er sich häufiger für eine Niederlassung entscheidet, hat die Dermatologin Dr. med. Dorit Düker, die 2024 ihre Facharztausbildung abgeschlossen hat, klare Antworten parat: die Fehlerkultur und die Art, wie die Niederlassung dargestellt werde. Ein positiver Umgang mit Fehlern könne die Angst vor dem Scheitern nehmen, die der Niederlassung im Wege steht. Fehler gehörten zum Leben dazu, um zu wachsen und zu lernen. Vor allem helfe es aber, so die junge Dermatologin, nicht nur über die negativen Aspekte zu sprechen, sondern auch die positiven zu betonen – etwa die Möglichkeit, sich in der eigenen Niederlassung selbst zu verwirklichen und eigene Regeln zu entwickeln. Dazu brauche es positive Informationsangebote wie Workshops, in denen Niederlassungs-Know-how vermittelt und der Mut zur Niederlassung bei jungen Ärzt:innen gestärkt werde.
Mentorenprogramme und Praxis-Dating
Dass Nachwuchsförderung wichtig ist, haben auch die meisten Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erkannt: Sie bieten Netzwerke zur Nachwuchsförderung, Vorab-Checks von Abrechnungen zur Vermeidung von Regressen oder Kennenlerntreffen an. Die KV Berlin hat neben Einzelberatungen und Seminaren solche Kennenlerntreffen in Form von „Praxis-Datings“ im Programm. Dabei finden niederlassungswillige Ärzt:innen und potenzielle Praxisabgeber:innen in 20-minütigen Einzelgesprächen, die nach dem Vorbild eines „Speed-Datings“ aus der Partnervermittlung ablaufen, zueinander. Da die Veranstaltungen im vergangenen Jahr sehr gut angenommen wurden, ist das nächste Praxis-Dating bereits für den 28. März 2025 geplant.
Informationen zur Niederlassung
Darüber hinaus haben auch viele Verbände und Gesellschaften auch spezielle Angebote für Jungärzt:innen. Im Vordergrund stehen dabei überwiegend Ansprechpersonen, Interviews mit Standesvertreter:innen oder Weiterbildungsmöglichkeiten, Mentoringprogramme und vergünstigte Mitgliedschaften für Studierende und Ärzt:innen in Weiterbildung. Einzelne, besonders findige Facharztgesellschaften präsentieren Imagefilme oder informieren mit Podcasts, die für das jeweilige Fach werben und aktuelle Themen aufgreifen. Workshops, die Mut zur Niederlassung machen, sind allerdings die Ausnahme.
Vernetzung und vorbereitende Workshops
Gezielte Nachwuchsförderung betreibt beispielsweise der Berufsverband der Deutschen Dermatologen: Mithilfe der Arbeitsgruppe „Junge Dermatologen“ (JuDerm) versucht er, das Image der Dermatologie zu verändern und junge niederlassungsbereite Dermatolog:innen an die Hand zu nehmen. Schwerpunkte der Arbeit der „Junge Dermatologen“ sind niederlassungsvorbereitende Workshops, Vernetzungsmöglichkeiten und Fortbildungsveranstaltungen zu dermatologischen Themen.
Zwar gibt es keine Zahlen, wie viele Dermatolog:innen sich durch die Beratung von JuDerm niedergelassen haben, aber zumindest zeigt die Zahl der Follower, dass die Workshops, der Blog und der Instagram-Kanal gut angenommen werden. Und Kristin Rosenow, Wirtschaftswissenschaftlerin und Leiterin der Webinare bei JuDerm, hat schon viele ehemalige Webinar-Teilnehmende als Praxisinhaber:innen wieder getroffen. Auf die Frage, wie das Nachwuchsproblem vieler Facharztrichtungen gelöst werden kann, antwortet sie, dass dies nur gelingt, wenn man den Nachwuchs persönlich kennenlernt. Genau das ist Teil der JuDerm-Strategie: Die Organisation vernetzt sich mit Medizin-Fachschaften, bietet Studierenden unter anderem kostenfreie Kongresstickets an und begleitet sie dorthin.
Quellen- und Literaturhinweise sind über die Redaktion erhältlich.
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