„Wir haben keine Zeit mehr für perfekte Lösungen!“

Laura-Marie Strützke ist Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation des Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin-Zehlendorf und engagiert sich seit 2019 auch als Klimamanagerin der Einrichtung. Da Hitze- und Klimaschutz eng miteinander einhergehen, hat „Berliner Ärzt:innen“ sie zu ihrem Werdegang sowie zu bereits umgesetzten und geplanten Klimaschutzmaßnahmen in der Einrichtung befragt.

Laura-Marie Strützke
Interview mit
Laura-Marie Strützke

Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Klimamanagerin

Foto: Frederic Schweizer

Redaktion: Frau Strützke, wie sind Sie Klimamanagerin geworden?

Laura-Marie Strützke: Das Evangelische Krankenhaus Hubertus engagiert sich schon sehr lange für den Klimaschutz. Als das Projekt KLIK green 2019 entstanden ist, hat unsere Geschäftsleitung die Idee aufgegriffen und in einer offenen internen Ausschreibung die Stelle bekannt gemacht. Ich habe mich beworben.

Wurden Sie dann zur Klimamanagerin ausgebildet?

Ausgebildet im Sinne einer schulischen Ausbildung wurde ich nicht. Das KliK green Projekt kann eher als eine Art Prozessbegleitung der Häuser beim Aufbau einer Stabstelle Klimamanagement verstanden werden. Das war richtige Pionierarbeit. Denn das Thema wurde im Gesundheitswesen bis dahin völlig vernachlässigt. Es gab verschiedene Workshops und Veranstaltungen, an denen man als gesandte:r Klimamanager:in teilnehmen konnte. Ein Teil drehte sich um die Wissensvermittlung, für die man intrinsisch sehr motiviert sein und eine gute Wissensbasis mitbringen sollte. Es war also keine Schule – man musste selbst großes Engagement zeigen. Der zweite Baustein war die Vernetzungsmöglichkeit: Durch das Projekt KLIK green sind ganz wunderbare Netzwerke entstanden, die bis heute bestehen und weiter wachsen. Und der dritte Aspekt bezog sich auf die Prozessbegleitung bei den Projekten.

Was heißt das genau?

Die Teilnehmenden haben Klimaschutzprojekte für ihre Einrichtung entwickelt und wurden bei der Umsetzung vom Projekt KLIK green begleitet und am Ende auch bei der Berechnung der möglichen Einsparpotenziale, die man generiert hat, unterstützt.

Welches Projekt haben Sie sich für das Hubertus-Krankenhaus vorgenommen?

Das Projekt KLIK green lief bei uns von 2019 bis 2021. In der Zeit haben wir uns zehn bis zwölf Projekte vorgenommen und haben einen Teil realisiert, manche Projekte laufen noch und mit manchen konnte bisher noch nicht begonnen werden. Umgesetzt haben wir beispielsweise im Bereich „Energie“ eine Absorptionskältemaschine. Losgelöst von KLIK green betreiben wir das Thema „Klimamanagement“ ja stetig weiter und legen für dieses und nächstes Jahr den Fokus auf unsere Dächer. Diese haben wir energetisch saniert und werden jetzt eine Fotovoltaikanlage installieren.

Zudem agieren wir zunehmend in direkten Arbeitsgruppen. Momentan sitze ich beispielsweise mit der „Hygiene“ zusammen und wir versuchen auf nachhaltige Produkte umzustellen. Glücklicherweise ist es so, dass mittlerweile auch die Hersteller nachgezogen haben und etwa nachhaltigere Flächendesinfektionsmittel anbieten. Dementsprechend prüfen wir, welche Produkte aktuell im Haus genutzt werden und welche Alternativen schon jetzt am Markt verfügbar sind, sodass wir sukzessive umstellen können.

Dabei ist interessant, wie viel Arbeit das bedeutet: Wenn man hört, dass wir umstellen wollen, denkt man wie zu Hause „ja gut, dann kaufe ich halt das andere Waschmittel“. Aber das ist in einem Krankenhaus tatsächlich nicht so einfach. Im Gegenteil, es müssen viele Stellschrauben beachtet und viele Gespräche geführt werden. Das lerne ich auch alles und es ist hochinteressant zu sehen, dass es durchaus ein dreiviertel Jahr dauern kann, bis man ein einziges Produkt ersetzt. Trotzdem ist es toll, dass die Hersteller nachziehen – weil die Nachfrage eben auch da ist.

Was machen oder planen Sie noch?

Ein sehr aktuelles Thema sind Präsenzfortbildungen für das Haus. Ich habe eine Klimafortbildung entwickelt, die vor allem coronabedingt zunächst digital stattgefunden hat. Diese digitale Fortbildung habe ich dann evaluiert. Ein Ergebnis ist, dass die Ärzt:innen nicht so rege teilgenommen haben. Deshalb stellt sich mir die Frage, warum nicht und wie kann ich es den ärztlichen Kolleg:innen erleichtern, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen? Dazu gehe ich gerade in die Bereiche und frage beispielsweise ganz konkret, „um wie viel Uhr ist es für euch leichter?“ Wenn es morgens 6:15 Uhr ist, passt das auch, ich bin ja auch eine Allrounderin und kann sowohl tagsüber als auch nachts anwesend sein und mich dementsprechend auch an die Bedürfnisse der Kollge:innen besser anpassen. Das funktioniert ziemlich gut und macht großen Spaß.

Worum geht es in der Fortbildung?

Die digitale Fortbildung war beziehungsweise ist sehr umfangreich. Zunächst ging es um das Basiswissen zur Klimakrise und um die daraus resultierenden gesundheitlichen Auswirkungen. Und schließlich wurden Maßnahmen thematisiert, die im Krankenhausbereich überhaupt möglich sind, um sich an die Veränderungen anzupassen und das Klima zu schützen. Das sind die gesamten Inhalte, die ich allen vermitteln möchte. 

In den Präsenzfortbildungen habe ich angefangen, zunächst das Basiswissen der Klimakrise zu vermitteln. Diese Veranstaltungen sollen in sämtlichen Bereichen stattfinden. Beispielsweise habe ich vor zwei Wochen das Reinigungspersonal fortbilden dürfen. Das war sehr schön, weil die Kolleg:innen nicht direkt bei uns im Haus angestellt sind.

Insgesamt habe ich mir selbst das Ziel gesetzt, dass mir in ein bis zwei Jahren jeder im Haus folgende Fragen beantworten kann:

  • Warum sind Treibhausgase schlecht?
  • Was machen die mit unserem Planeten?
  • Was sind die Kipppunkte des Planeten?
  • Warum haben wir nur noch so wenig Zeit, um die Klimakrise abzumildern?

War der Faktor „Zeit“ Ihrer Meinung nach der Hauptgrund, dass weniger Ärzt:innen an der digitalen Fortbildung teilgenommen haben?

Man spricht immer von „Zeitmangel“. Ich würde sagen, dass es sich eher um ein strukturelles Problem handelt, das wir lösen müssen. Das heißt, wir müssen uns überlegen, ob wir beispielsweise komplette Fortbildungstage einführen wollen. Wir haben immer die Herausforderung, dass die einen freihaben, andere sind im Urlaub und wieder andere arbeiten in ihren Schichten. Dann steht die Gesundheitsvorsorge im Vordergrund – wenn man dann mal eben kurz zu einer Fortbildung geht, hat man das Telefon dabei und wird zwischendurch angerufen. Das ist ein Dilemma, das wir strukturell angehen müssen.

Inhaltlich hat das nichts mit Desinteresse zu tun. Ein wichtiger Punkt ist viel mehr, dass in der ärztlichen und pflegerischen Ausbildung neben dem ärztlichen und pflegerischen Tun kaum andere Thematiken aufgegriffen werden. Dementsprechend müssen wir meiner Meinung nach dahinkommen, dass auch solche Themen dazugehören. Der Klimaschutz ist auch für Ärzt:innen und Pflegende reiner Selbstschutz, weil wir diejenigen sind, die bei 36 oder 40 Grad Außentemperatur immer noch und vor allem noch mehr arbeiten müssen. Wir müssen unseren Blick ändern und auch auf diesen Selbstschutzaspekt richten.

Wie kam Ihre neue Aufgabe bei den Kolleg:innen an – waren diese offen für das Thema oder mussten Sie Überzeugungsarbeit leisten?

Grundsätzlich war die gesamte Resonanz nie hemmend, eher „Gott sei Dank kümmert sich mal jemand darum.“ Im täglichen Tun sind jeder und jedem die Berge an Abfall etc. bewusst. Zudem ist es so, dass die Klimaschutzmaßnahmen, die wir bisher umgesetzt haben, den Alltag der Mitarbeitenden nicht oder kaum beeinflussen. Dass sie die Veränderungen in ihrer Arbeit merken, fängt jetzt erst langsam an, zum Beispiel weil wir Produkte ändern oder dass wir das Thema „Abfall“ in Angriff nehmen.

Als ich Anfang 2020 in dem Bereich angefangen habe, war das Pionierarbeit, während das Mindset heute ganz anders ist: Am Anfang wurde ich manchmal kaum wahrgenommen. Dann gab es einen Übergang und manchmal sarkastisch lustige Äußerungen wie: „Ach, jetzt habe ich wieder zu viel ausgedruckt, Laura kuckt schon“. Ich belehre aber nicht – im Gegenteil, ich finde es wichtig, dass das Thema sympathisch und attraktiv rüberkommt, ich bin schließlich keine Fahrkartenkontrolleurin. So retten wir den Planeten nicht. Die Menschen müssen es selbst wollen und so ist es mittlerweile, die Kolleg:innen nehmen das Thema immer mehr an.

Wie haben denn beispielsweise die Reinigungskräfte die Schulung aufgenommen?

Die waren sehr interessiert und haben sich sehr wertgeschätzt gefühlt, dass sie auch an dieser Schulung teilnehmen können. Ich denke, dass das genau der Punkt ist, wir können das Klima nicht retten, wenn wir nur einige fortbilden. Wir brauchen jede und jeden Einzelnen und vor allem die Praktiker:innen.

Deshalb möchte ich allen, die überlegen, Klimamanager:in zu werden, mitgeben: Bitte geht weg von superperfektionistisch, hoch professionalisierten Strukturen. Es bringt nichts, eine Stelle für eine:n Klimamanager:in zu schaffen, die oder der dann zunächst drei Jahre Bachelor plus Master und zusätzlich Schulungen zum Thema „Nachhaltigkeit“ absolvieren soll. Zum einen fehlt dazu Personal, das mit dem Gesundheitswesen vertraut ist und zum anderen fehlt die Zeit: Bis eine solche Ausbildung abgeschlossen ist, können wir es mit dem Klimaschutz auch lassen, dann haben die Kipppunkte eingesetzt. Wir müssen sofort loslegen.

Ist es denn so einfach?

Auf jeden Fall und hier komme ich wieder zu den Reinigungskräften: Es bringt gar nichts, Themen zu verschriftlichen und irgendwelche Pläne zu entwickeln, um lediglich einen Haken machen zu können. Damit Hitzeschutzpläne etwas bringen, muss man die Menschen mitnehmen, die täglich – auch an den Wochenenden oder nachts – für die entsprechenden Bereiche verantwortlich sind. Die Fenster müssen natürlich in der Nacht oder den frühen Morgenstunden zum Lüften geöffnet werden und das übernehmen die Pflege-, Assistenz- oder Reinigungskräfte.

Deshalb möchte ich noch einmal betonen: Wir haben keine Zeit mehr für perfekte Lösungen! Wir haben Ideen, setzen diese sofort ins praktische Handeln um und kucken dann, wie es läuft und wo wir eventuell nachjustieren müssen. Prozesse leben und diese Herangehensweise ist viel besser, als erstmal unzählige Jahre darüber zu diskutieren, ob wir beim Catering das Fleisch weglassen oder nicht. Wir machen es einfach, dann kucken wir und manchmal passiert gar nichts.

Der Klimaschutz ist auch für Ärzt:innen und Pflegende reiner Selbstschutz, weil wir diejenigen sind, die bei 36 oder 40 Grad Außentemperatur immer noch und vor allem noch mehr arbeiten müssen. Wir müssen unseren Blick ändern und auch auf diesen Selbstschutzaspekt richten.

Laura-Marie Strützke,
Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Klimamanagerin

Beim Thema „Hitzeschutz“ geht es meist um den Schutz der Patient:innen. Was tun Sie für die Mitarbeitenden Ihres Hauses?

Wir haben im vergangenen Jahr einen Hitzeschutzplan entwickelt, bei dem die Gesunderhaltung der Patient:innen und der Mitarbeitenden sowie die Reduzierung der Wärmebelastung für beide Gruppen klare Zielvorgabe sind. Der Plan orientiert sich an den Hitze-Warnungen des Deutschen Wetterdienstes mit Stufe I und II.

Beispielsweise haben wir eine zentrale Kühlung, die mit der Abwärme des Blockheizkraftwerks (BHKW) betrieben wird. Wichtig ist dabei, dass diese Kühlung nur dann richtig arbeitet, wenn alle – also Patient:innen und Mitarbeitende – darauf achten, dass an heißen Tagen die Fenster geschlossen und Jalousien unten bleiben. Dann können die Türen zu den Fluren geöffnet werden und der Anschluss an die zentrale Kühlung ist möglich. Im vergangenen Sommer haben wir dieses Vorgehen verschriftlicht, in diesem Jahr muss ich dafür sorgen, dass es gut kommuniziert wird und hin und wieder auch überprüfen, ob es funktioniert.

Und wie handhaben Sie spezielle Bereiche, beispielsweise die Notaufnahme, in denen Fenster bzw. Türen nicht dauerhaft geschlossen bleiben können. Kommt dort doch eine umweltschädliche Klimaanlage zum Einsatz?

Zum Glück ist unsere Notaufnahme tief unten und heizt sich nicht auf, daran sieht man gut, wie wichtig bauliche Aspekte sind. Aber Sie fragen ja nach umweltschädlichen Klimaanlagen und da muss man zunächst überlegen, warum diese umweltschädlich sind? Weil sie mit Kältemitteln betrieben werden, die nicht klimafreundlich sind und weil sie nicht mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Da müssen wir aber hin, sprich, dass Klimaanlagen beispielsweise mit der Abwärme eines BHKWs, das wiederum mit grünem Wasserstoff statt mit Erdgas befeuert wird, betrieben werden. Dann wären Klimaanlagen per se erstmal nicht mehr umweltschädlich.

Das Projekt KLIK green ist 2022 ausgelaufen, wo können sich interessierte Ärzt:innen heute zu dem Thema informieren?

Die Planetary Health Academy von KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. stellt Interessierten sehr viel Wissen zur Verfügung. Health for Future ist auch eine Adresse, wo sich Menschen aus dem Gesundheitswesen zusammentun.

Welchen Weg würden Sie empfehlen, wenn Einrichtungen eigene Klimamanagerinnen installieren wollen?

Ich würde zunächst intern eine Stelle ausschreiben oder schauen, wer schon im Unternehmen arbeitet und Ahnung von dem Thema hat und möglichst privat intrinsisch motiviert ist. Zudem würde ich empfehlen, jemanden zu wählen, der praktisch mit der Thematik konfrontiert ist. Für das zu schulende Personal macht es einen Unterschied, ob vorn eine Energiemanagerin bzw. ein Energiemanager irgendeiner Agentur oder aber eine Ärztin, eine Intensivschwester oder eine Pflegekraft aus dem Haus steht, die auch am Wochenende oder an Feiertagen arbeiten muss. Kolleg:innen also, die wissen, wie es ist.

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Auch für den Sommer 2023 lauten die Prognosen der Wetterexpert:innen „heiß“. Berlin und andere Großstädte bereiten sich bereits auf die Herausforderungen vor. Ihr Ziel: die Menschen vor der Belastung durch Hitze zu schützen.

Dr. med. Uta Schannewitzky ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet seit 2009 am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee. „Berliner Ärzt:innen“ hat mit ihr über ihre Aufgaben als ärztliche Klimabeauftragte gesprochen.

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