Redaktion: Herr Dr. Schwarz wie sind Sie zur Niederlassung gekommen? Wollten Sie schon immer Ihr eigener Chef sein, oder war das ein Prozess?
Dr. med. Philipp Schwarz: Die Entscheidung zur Niederlassung war bei mir ein längerer Prozess. Während meiner klinischen Tätigkeit habe ich viel gelernt und bin fachlich gewachsen. Mit der Zeit wurde mir aber klar, dass ich mir mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum wünsche – sowohl medizinisch als auch organisatorisch. Die Idee, eine eigene Praxis zu führen, reifte über Jahre hinweg, besonders als meine Familie größer wurde und ich mir mehr Flexibilität im Alltag wünschte.
Vermutlich haben Sie bei Ihrer Entscheidung „Pro und Contra“ abgewogen. Was hat für und was gegen eine Niederlassung in einer eigenen Praxis gesprochen? Was war letztlich ausschlaggebend für Ihre Entscheidung?
Natürlich gab es viele Überlegungen. Für die Niederlassung sprach die Möglichkeit, meine Arbeitsweise selbst zu gestalten, ein eigenes Team aufzubauen und langfristig eine stabile berufliche Perspektive zu schaffen. Dagegen sprachen die wirtschaftlichen Risiken, die Bürokratie und die Verantwortung, die man als Praxisinhaber trägt. Ausschlaggebend war letztlich der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Ein Tag in der Augenarztpraxis von Dr. Philipp Schwarz in Berlin Neukölln.
Foto: Thomas Meyer, OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin
Teamarbeit: „Ich versuche, meine Mitarbeiter:innen aktiv in Entscheidungen einzubeziehen.“
Welche Erwartungen hatten Sie an die Selbstständigkeit?
Ich hatte erwartet, dass ich mehr Freiheiten habe – sowohl in der medizinischen Versorgung als auch in der Organisation meines Alltags. Gleichzeitig war mir bewusst, dass die Verantwortung größer wird. Ich hatte gehofft, dass ich durch die Selbstständigkeit auch mehr Zeit für meine Familie finde, was sich teilweise erfüllt hat, aber nicht ohne Herausforderungen.
Wie ging es dann weiter? Was waren die größten Herausforderungen bei der Gründung bzw. Übernahme Ihrer eigenen Praxis?
Die größte Herausforderung war sicherlich die Organisation der Praxisübernahme: Finanzierung, Umbau, Personalgewinnung und gleichzeitig die medizinische Versorgung sicherzustellen. Auch die Umstellung von der klinischen Struktur auf die Abläufe in einer niedergelassenen Praxis war nicht trivial. Man wird plötzlich Unternehmer – das ist ein Perspektivwechsel.
Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert oder wie meistern Sie sie?
Ich habe mich frühzeitig mit Kolleg:innen ausgetauscht, die den Schritt bereits gegangen sind, und habe, wo erforderlich, professionelle Beratung in Anspruch genommen – sowohl betriebswirtschaftlich als auch juristisch. Mein Team ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor: Ohne engagierte und kompetente Mitarbeiter:innen wäre vieles nicht möglich gewesen.
Gab es spezielle Angebote, Beratungen oder Workshops, die Sie zur Vorbereitung auf den Schritt in die Selbstständigkeit genutzt haben?
Ja, ich habe an mehreren Workshops der Ärztekammer Berlin und der Kassenärztlichen Vereinigung teilgenommen, die sich mit Praxisgründung, Abrechnung und Personalführung beschäftigen. Diese Angebote waren sehr hilfreich, um ein realistisches Bild zu bekommen und typische Fehler zu vermeiden.
Und heute: Gibt es Dinge oder Angebote in Ihrer Praxis, die Sie bewusst anders handhaben als Ihre Kolleg:innen bzw. als Sie es in Ihrer Studien- und Weiterbildungszeit erlebt haben?
Ich lege großen Wert auf eine freundliche, offene Atmosphäre – sowohl im Team als auch gegenüber den Patient:innen. Wir haben alle Praxisabläufe digitalisiert, um diese zu vereinfachen. Ich versuche, meine Mitarbeiter:innen aktiv in Entscheidungen einzubeziehen. Besonders wichtig ist mir auch die Kommunikation mit Eltern und Kindern – gerade in der Sehschule.

Ein Tag in der Augenarztpraxis von Dr. Philipp Schwarz in Berlin Neukölln.
Foto: Thomas Meyer, OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin
„Die Sehschule wird von Beginn an von den Patient:innen sehr gut angenommen.“
Wie sieht ein typischer Tag in Ihrer Praxis aus?
Der Tag beginnt um 8:45 Uhr meist mit einer kurzen Teambesprechung. Danach folgen Untersuchungen und die Sehschule. Zwischendurch gibt es organisatorische Aufgaben, Rücksprachen mit Kolleg:innen und natürlich auch Notfälle. Diese Mischung aus Routine und Abwechslung macht den Praxisalltag spannend.
Laut einer Studie sind neu niedergelassene Ärzt:innen sehr unzufrieden mit der ausufernden Bürokratie. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Die Bürokratie ist tatsächlich ein großer Belastungsfaktor. Abrechnung, Datenschutz, Qualitätsmanagement – all das kostet zu Beginn Zeit und Energie. Ich habe daher frühzeitig Aufgaben delegiert und arbeite mit meiner Praxismanagerin zusammen, um mich möglichst auf die medizinische Arbeit konzentrieren zu können.
Haben sich Ihre Erwartungen an die Selbstständigkeit bisher erfüllt?
Ja, ich habe mehr Gestaltungsspielraum und kann meine Praxis nach meinen Vorstellungen führen. Der Aufwand war – gerade in der Anfangszeit – sehr hoch. Die Zufriedenheit, die ich aus der Arbeit in meiner eigenen Praxis ziehe, ist mittlerweile auch sehr hoch.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Praxis in den kommenden Jahren?
Ich möchte die Praxis weiterentwickeln – fachlich, organisatorisch und personell. Die Sehschule wurde von Beginn an von den Patient:innen sehr gut angenommen. Wir sind in neue Räumlichkeiten umgezogen, in denen wir bald IVOM-Behandlungen (kleine Injektionen in das Auge, z. B. bei diabetischer Makulopathie oder feuchter AMD) anbieten können. Zudem wird die Diagnostik weiter ausgebaut. In Zukunft möchte ich gerne eine:n junge:n Kolleg:in in Weiterbildung anstellen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen aus dem Kiez ausbauen und vertiefen. Ich habe noch einiges an Arbeit vor mir.
Ist die Arbeit als niedergelassener Arzt für Sie persönlich erfüllend? Wenn ja, warum?
Ja, sehr. Ich sehe täglich, wie ich Menschen helfen kann – oft über Jahre hinweg. Die Beziehung zu den Patient:innen ist intensiver als in der Klinik, und ich kann meine Arbeit selbst gestalten. Das gibt mir ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit.
Angenommen, Sie sitzen mit Freund:innen oder ehemaligen Kommiliton:innen gemütlich zusammen. Welches Fazit würden Sie ihnen über Ihren Weg in die Niederlassung in eigener Praxis geben?
Ich würde sagen: Es ist kein einfacher Weg, aber ein lohnender. Man muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und sich auch mit wirtschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Aber wenn man den Wunsch nach Selbstständigkeit verspürt und bereit ist, sich weiterzuentwickeln, dann ist die Niederlassung eine sehr erfüllende berufliche Perspektive – gerade mit Familie.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.