„Grün“ inhalieren – Wie nachhaltig sind Inhalationsgeräte?

Berlin ringt seit Jahren um bessere Luft – mit Umweltzonen, Fahrverboten und Feinstaubwarnungen. Für Menschen mit Lungenerkrankungen ist das kein abstraktes Thema, sondern Alltag: Jeder Atemzug zählt. Inhalatoren bilden das Rückgrat vieler Behandlungsstrategien. Doch viele dieser Geräte setzen fluorierte Treibhausgase frei – und belasten somit ausgerechnet das Klima. Die Luft wird schlechter, der Bedarf an Inhalationen steigt – ein Teufelskreis.

Status quo – Verbrauch, Emissionen und Entsorgung

Muss das so bleiben? Treibgasfreie Alternativen senken den CO₂-Fußabdruck pro Dosis um bis zu 95 Prozent.  Schon kleine Änderungen in der Verordnung können große Wirkung für Patient:innen und Umwelt entfalten.

Etwa die Hälfte aller in Deutschland verordneten Inhalationsgeräte sind Druckgas‑Dosierinhalatoren. Besonders ins Gewicht fällt das Salbutamol‑Spray: Es macht fast die Hälfte aller Druckgas‑Verordnungen aus und wird zu mehr als 98 Prozent als Treibgas‑Spray abgegeben. Jede Hubeinheit enthält das Hydrofluoralkan 1,1,1,2‑Tetrafluorethan (HFA‑134a), dessen Treibhauspotenzial bei 1. 430 liegt; das verwandte HFA‑227ea erreicht sogar 3.220. Das sogenannte Treibhauspotenzial – international Global Warming Potential (GWP) – beschreibt, wie viel stärker eine bestimmte Masse Gas innerhalb von 100 Jahren wirkt als die gleiche Masse Kohlendioxid.

Leere oder nur angebrochene Sprays enthalten noch etwa 1,9–2,9 Gramm Resttreibgas. Bei der Entsorgung entstehen so pro Spray rund 2–4 kg CO₂‑Äquivalent – das entspricht etwa 25 bis 40 Kilometern Autofahrt mit einem durchschnittlichen Neuwagen mit Verbrennungsmotor. Druckgas‑Inhalatoren gelten als Arzneimittel und als gefährliche Druckbehälter. Trotzdem gelangen sie meist in den Restmüll. Fehlende Rücknahme­angebote führen dazu, dass Resttreibgas unkontrolliert entweicht. Sammelbehälter in Praxen oder Apotheken könnten diese Emissionen vermeiden, weil das Gas dort aufgefangen und verwertet oder zerstört wird.

Politik und Praxis und ein Blick in die Zukunft

Die Verordnung (EU) 2024/573 verpflichtet alle Mitgliedstaaten, fluorierte Treibhausgase bis 2050 nahezu vollständig abzubauen; Inhalationsgeräte sind ausdrücklich erfasst. Parallel fordert die Kigali‑Erweiterung des Montrealer Protokolls eine globale Reduktion von Fluorkohlenwasserstoffen von mehr als 80 Prozent innerhalb von 30 Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb zu „klimaresilienten Lieferketten“ aufgerufen und Inhalationsgeräte als vorrangiges Handlungsfeld benannt.

Die Nationale S3-Versorgungsleitlinie Asthma 2024 nennt erstmals ökologische Kriterien bei der Gerätewahl – ausschlaggebend bleibt jedoch die Wirksamkeit. Druckgas‑Geräte sind weiterhin unverzichtbar bei akuter Atemnot und bei sehr geringer Einatemkraft – etwa bei Kleinkindern oder hochbetagten Patient:innen – sowie für einzelne Wirkstoffkombinationen. Treibgasfreie Pulver‑ und Soft‑Mist‑Inhalatoren gewinnen aber an Bedeutung: Sie verursachen keine fluorierten Treibgase und senken den CO₂‑Fußabdruck pro Dosis um bis zu 95 Prozent. Liegt eine stabile Erkrankung vor, erreichen die Patient:innen einen Atemfluss von mindestens 30 Litern pro Minute und beherrschen die Handhabung. Pulver- und Soft-Mist-Inhalatoren sind sie die bevorzugte Option. Viele Geräte sind inzwischen als kostengünstige Generika verfügbar. Der Wechsel wird erstattet, erfordert jedoch eine etwa zehnminütige Einweisung.

Ein nahezu klimaneutrales Treibgas – 2,3,3,3‑Tetrafluorpropen (HFO‑1234ze) – befindet sich in Phase‑III‑Studien; erste Zulassungen könnten 2026 erfolgen und den Fußabdruck von Notfall‑Sprays drastisch senken. Mehrere Hersteller testen wiederbefüllbare Metallkartuschen im Pfandsystem. Einheitliche Rücklaufboxen in Arzt­praxen könnten so Aluminium nahezu verlustfrei recyceln. Darüber hinaus verfügen „smarte“ Inhalatoren mit Sensoren über Erinnerungs‑ und Feedbackfunktionen, die Fehlanwendungen reduzieren und damit Medikamentenverbrauch sparen.

Alles auf einen Blick

Fünf Schritte für eine klimafreundlichere Verordnungspraxis

  • 1. Geräte‑Check bei jedem Kontakt: Prüfen Sie routinemäßig, ob ein treibgasfreier Inhalator infrage kommt.
  • 2. Größere Packungen verordnen: 200‑Hübe‑Behälter sparen Material und Transportaufwand.
  • 3. Digitale Hilfen einsetzen: Video‑Tutorials und Erinnerungs‑Apps verbessern die Inhalationstechnik.
  • 4. Disease‑Management‑Programme nutzen: Strukturierte Schulungen reduzieren Exazerbationen und Notfall‑Spray‑Verbrauch.
  • 5. Fachgerechte Entsorgung organisieren: Sammeln Sie leere Kartuschen in der Praxis oder verweisen Sie auf Wertstoffhöfe.

Fazit

Ökologisch nachhaltiges Inhalieren ist bereits heute möglich. Wo die Wirksamkeit es erlaubt, sollten Pulver‑ oder Soft‑Mist‑Geräte erste Wahl sein. Druckgas‑Inhalatoren bleiben wichtig, müssen jedoch zügig mit weniger klimaschädlichen Treibmitteln weiterentwickelt werden. Ärzt:innen können durch eine bewusste Gerätewahl und gezielte Schulungen sowie die korrekte Entsorgung schon jetzt messbar Emissionen verringern.

 

Quellen- und Literaturhinweise sind über die Redaktion erhältlich.

Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass keine finanziellen oder persönlichen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag bestehen.

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