„Wir genießen Privilegien, bekennen uns aber auch zur Verantwortung“

Neun Minuten Fußweg veranschlagt Google Maps für den Weg von der Ärztekammer Berlin in der Friedrichstraße zur Architektenkammer Berlin in der Alten Jakobstraße. Auch hinsichtlich einiger fachlicher Fragen sind die Selbstverwaltungsorgane der beiden „freien Berufe“ nah beieinander – bei allen Unterschieden. Ein Gespräch mit Torsten Förster, dem Geschäftsführer der Architektenkammer Berlin, in der die vier Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung organisiert sind.

Torsten Förster
Interview mit
Torsten Förster

Geschäftsführer der Architektenkammer Berlin

Foto: Architektenkammer Berlin

Redaktion: Herr Förster, welche Rolle spielen Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung für den Beruf der Architektin oder des Architekten?

Torsten Förster: Was die Berufsausübung angeht, vergleichen wir uns als Angehörige eines freien Berufes immer wieder gern mit der Ärzteschaft. Da gibt es viele Parallelen, auch wenn wir in der Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen werden: Während jede und jeder immer wieder mal zur Ärztin oder zum Arzt geht, hat man mit unserem Berufsstand ja normalerweise weniger direkten Kontakt – mit den Ergebnissen der Arbeit natürlich schon. Gemeinsam sind uns Privilegien wie die Befreiung von der Gewerbesteuer oder die eigene Altersversorgung. Wichtiger finde ich aber: Als Angehörige eines freien Berufes wollen wir durch unsere eigenverantwortliche, schöpferische Leistung der Gesellschaft als Ganzes dienen, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung und fühlen uns einem hohen Qualitätsversprechen verpflichtet. In dieser Hinsicht kann man fast neidisch auf den ärztlichen Eid sein, der dieses Versprechen schön symbolisiert.

Ärzt:innen arbeiten häufiger stationär als ambulant und unter den ambulant Tätigen sind viele im Angestelltenverhältnis tätig. Wie ist das bei Ihnen?

In der Architektenkammer Berlin steigt der Anteil der Angestellten und Verbeamteten, der der freischaffend beruflich aktiven Mitglieder stagniert ein wenig. Insgesamt sind wir aber ein wachsender Berufsstand. In Berlin sind inzwischen mehr als die Hälfte der über 10.000 Kammermitglieder Angestellte. Wir diskutieren sehr viel darüber, was das mit unserem Selbstbild macht – hier müssen wir uns auch als Kammer verändern. Trotzdem bleibt das Thema ‚Unternehmertum‘ für uns weiter wichtig: Gerade haben wir uns in einem dreijährigen Projekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wurde, mit dem Handwerkszeug beschäftigt, das für die Unternehmensnachfolge und eine gute Übergabe eines Büros an die nächste Generation von Bedeutung ist. Das ist ein Aspekt. Aber auch der Mut, ein eigenes Büro neu zu gründen, bleibt wichtig für unser Selbstverständnis und ist Teil unserer DNA.

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Wie sieht es bei Ihnen hinsichtlich der Verordnungen für Honorare aus? Bei den Ärzt:innen gibt es ja eine Abrechnungsgrundlage für Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab, und die Gebührenordnung für Ärzt:innen bei der Behandlung von Privatpatient:innen.

Bei uns gibt es die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). In der EU hat das Leitbild des freien Marktes vor einiger Zeit allerdings zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof geführt, sodass die Verbindlichkeit von Mindest- und Höchstsätzen nicht mehr gilt. Trotzdem hat die HOAI weiter große Bedeutung für uns. Dies gilt für die Honorargestaltung, aber auch mit der Beschreibung von Leistungsbildern ist sie ein bewährtes Instrument. Aus gutem Grund sind Leistungen des freien Berufes den Mechanismen des Marktes ein Stück weit entzogen. Wettbewerb soll es hinsichtlich der Qualität geben und nicht indem sich Marktteilnehmende bei den Preisen unterbieten. Als Kammer sehen wir daher eine unserer wichtigsten Aufgaben darin, gute Rahmenbedingungen für den Qualitätswettbewerb zu schaffen.

Wie engagiert ist die Beteiligung der Mitglieder in Ihrer Selbstverwaltung? Haben Sie Nachwuchssorgen?

Hier in Berlin können wir immer wieder viele engagierte junge Leute für die Mitarbeit in der Kammer gewinnen und haben in dieser Hinsicht keine Nachwuchssorgen. Wir sind allerdings in Nachwuchsfragen auch sehr aktiv. Wir gehen seit einigen Jahren aktiv an die Unis und erleben dort eine politisch sehr interessierte Generation mit einer starken Bindung an das Berufsethos und die gesellschaftliche Verantwortung, für die wir stehen. Wir wünschen uns, dass dieser Faden nicht abreißt und haben Gremien und Strukturen für Nachwuchsengagement in der Kammer geschaffen. Manchmal werden dann in der Familiengründungsphase verständlicherweise andere Prioritäten gesetzt, zumal der Berufsalltag schon anstrengend und herausfordernd genug ist. Später ist dann oft wieder mehr Zeit für berufspolitisches Engagement.

Was bringt das Engagement?

Ich persönlich finde es sehr motivierend zu sehen, wie zügig man in der Selbstverwaltung etwas erreichen kann, wenn man sich engagiert und sich mit seinen Ideen einbringt. Diejenigen, die die erste Hürde für Kammerarbeit überwunden haben, erleben das immer wieder. Der Architektenberuf ist – in allen Fachdisziplinen und auch der Stadtplanung – bekanntermaßen sehr wettbewerbsorientiert. Es gibt starke Konkurrenz, auch international. Die Kammer kann außerhalb dieses Wettbewerbs stehen, sie wird als gute Plattform für den kollegialen Austausch und das Knüpfen von Netzwerken geschätzt.

Als Angehörige eines freien Berufes wollen wir durch unsere eigenverantwortliche, schöpferische Leistung der Gesellschaft als Ganzes dienen. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung und fühlen uns einem hohen Qualitätsversprechen verpflichtet. In dieser Hinsicht kann man fast neidisch auf den ärztlichen Eid sein, der dieses Versprechen schön symbolisiert.

Torsten Förster,
Geschäftsführer der Architektenkammer Berlin

Wie steht es in Ihrer Kammer um die Geschlechterparität?

Von der Historie her sind wir ja eher ein „Männer-Beruf“, das hat sich stark geändert und ist in den jüngeren Alterskohorten ausgeglichen. Inzwischen haben wir auch in den Kammergremien ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis, auch und gerade im Vorstand. Und wir haben seit zehn Jahren weibliche Präsidentinnen – auch ohne Quote.

Auch wegen der guten Altersversorgung werden die Kammern sehr geschätzt.

Ja, das stimmt. Die Länderarchitektenkammern arbeiten dafür in verschiedenen Verbünden zusammen; wir haben ein gemeinsames Versorgungswerk mit der Brandenburgischen Architektenkammer. Für viele stellt diese Versorgung eine enge Verbindung zu ihrer Kammer her. Uns als Kammer reicht das aber nicht: Wir stehen für Qualitätssicherung, für nachhaltige Architektur und zukunftsfähige Städte, Freiräume und Landschaften.

Die Ärztekammer Berlin engagiert sich für den Schutz vulnerabler Gruppen der Bevölkerung, die die Folgen des Klimawandels gesundheitlich besonders hart treffen. Sehen Sie hier ein gemeinsames Thema?

Auf jeden Fall! Die planenden Berufe sehen sich hier in der Verantwortung. Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und Klimaanpassungsstrategien sind ein Thema. Mit dem Bauen geht zudem ein unfassbarer Verbrauch von Ressourcen einher, auch hier sind wir gefordert. Entscheidungen, die wir jetzt treffen, haben große Bedeutung für die Zukunft.

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Die ärztliche Selbstverwaltung ist ein Privileg. Sie als Selbstverständlichkeit zu betrachten, greift zu kurz: Denn „Freiberuflichkeit“ erfordert Engagement und Verantwortung.

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