Was tun, wenn es heiß wird?

„Der Weg zu einer breiten Hitzekompetenz in der Bevölkerung und bei den verantwortlichen Stellen ist noch weit“, konstatierte Dr. med. Martin Herrmann anlässlich des 3. Workshops des „Aktionsbündnisses Hitzeschutz in Berlin“ Anfang Mai 2023 in der Ärztekammer Berlin. Dennoch könne es in den nächsten drei bis vier Jahren durch eine gemeinsame Kraftanstrengung gelingen, Berlin und Deutschland weitgehend hitzefest zu machen.

Es tue sich etwas seit der Gründung des Aktionsbündnisses Hitzeschutz Berlin im vergangenen Sommer, so dessen Mitbegründer und Vorsitzender von KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V., Herrmann, weiter. Das Beispiel Berlin habe Gesundheitsakteure in anderen Ländern und Kommunen angeregt, sich der tödlichen Hitzegefahr zu stellen. Mittlerweile sei allen klar, dass es Hitzeschutzpläne und viel mehr Wissen darüber brauche, wie man sich und andere bei extremer Hitze schützen könne. „Denn darauf sind wir immer noch sehr schlecht vorbereitet“, so Hermann.

Welche Vorbereitungen die Berliner Akteur:innen für den bevorstehenden Sommer bereits getroffen haben oder noch treffen wollen, stand daher ebenso auf der Agenda des Workshops wie ein Blick auf die Ergebnisse der Arbeit der vergangenen Monate und ein Austausch in den Sektorgruppen: Stationäre Versorgung, Ambulante Versorgung, Pflege, Katastrophenschutz/Feuerwehr sowie Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD)/Bezirke.

Zu Beginn der Veranstaltung gab Nathalie Nidens, ebenfalls Mitglied bei KLUG und im Kernteam des Aktionsbündnisses tätig, einen Rückblick, was im Gründungsjahr des Bündnisses in den einzelnen Sektorgruppen bereits passiert ist. Sie berichtete von einem stärkeren Bewusstsein dafür, dass die Bevölkerung und Mitarbeitende vor Hitze geschützt werden müssten. Zum Teil lägen Hitzeschutzpläne vor und Maßnahmen würden umgesetzt. In vielen Krankenhäusern seien zudem Strukturen geschaffen worden, um bei Hitze Medikamente kühl zu lagern, Räume effektiver zu kühlen und stärker auf besonders gefährdete Patient:innen zu achten, hob Nidens hervor.

Hausärzt:innen als Gruppe schwer zu erreichen

Im Bereich der niedergelassenen Ärzt:innen beschrieb Nidens Startschwierigkeiten bei der Vernetzung; diese sei aber Voraussetzung dafür, Hitzeschutzpläne überhaupt zu kommunizieren und zu realisieren. Auch wenn man beispielsweise die Netzwerke der Hausarztverbände nutze, sei dort nur eine Minderheit der Niedergelassenen organisiert. Hier bestehe noch Potenzial, die Multiplikatorwirkung etwa der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin oder der Ärztekammer Berlin stärker zu nutzen.

Aus dem Bereich der Pflege schilderte Nidens, dass sich die Belegschaft der stationären Pflege schon seit Jahren mit hohen Temperaturen und deren Effekt auf die Pflegenden beschäftige. Maßnahmen gegen Hitze seien hier zum Teil bereits umgesetzt. Auch bei den ambulanten Pflegediensten würde das Thema Hitzeschutz zunehmend in die Beratungen einbezogen. Die Personalknappheit in der Pflege beschränke die Möglichkeiten zur Umsetzung jedoch deutlich.

Im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) stünden einem effektiven Hitzeschutz außerdem fehlende Zuständigkeiten im Weg. Ähnliche Probleme hätten auch die Mitarbeitenden des Katastrophenschutzes: „Da Hitzeschutz nicht gesetzlich verankert ist, sind die Verantwortlichkeiten nicht eindeutig zu klären“, so Nidens weiter.

Vorbereitende Maßnahmen zum Hitzeschutz

Beim nachfolgenden Austausch in den einzelnen Sektorgruppen wurde noch einmal deutlich, dass das Aktionsbündnis seit seiner Gründung viel ins Rollen bringen konnte. Für eine umfassende Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen fehlt es jedoch an Personal, finanziellen Mitteln und gesetzlichen Grundlagen.

Dennoch haben die Akteur:innen in den Berliner Bezirken schnell umsetzbare, wenig investive Maßnahmen realisiert. Jörn Lange vom Bezirksamt Pankow beschrieb in diesem Zusammenhang anschaulich die gründliche Recherche zu Bedarf und Erreichbarkeit eines kühlen Raumes für die Gruppe der über 65-Jährigen im Bezirk. Als idealer Aufenthaltsort bei Hitze kristallisierte sich dabei zunächst die Stadtteilbibliothek Buch heraus, allerdings fehle hier das Geld für Personal, um diese an hitzebelasteten Sonntagen offen halten zu können, so Lange.

Im Bezirk Neukölln sind die Mitarbeitenden zudem im Austausch mit Kirchenverbänden, um Kirchen als kühle Räume in extremen Hitzezeiten nutzen zu dürfen, das berichtete Alexandra Roth aus der Abteilung Infektions- und umweltbezogener Gesundheitsschutz im Gesundheitsamt Neukölln. Die Frage, wie sich die Bevölkerung effektiv vor Hitze schützen kann, beantwortet das Bezirksamt Neukölln zum Beispiel mit der Broschüre „Schutz vor Hitze in Neukölln. Gesund den Sommer genießen“, die zusammen mit weiteren Informationen auf der Website des Bezirksamtes abrufbar ist. So könne sich die breite Bevölkerung über die Gefahren bei extremer Hitze informieren, bevor Hitzeschutzpläne geschrieben und umgesetzt seien, sagte Roth.

Um auch ältere Menschen, die nicht online sind, zu erreichen, hatte das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf die Idee, Kontakt zu den größeren Wohnungsbaugesellschaften im Bezirk aufzunehmen. In den Fluren ihrer Mietshäuser könnten dann schon vor dem Sommer Plakate aufgehängt werden, um über die Gefahren von extremer Hitze und über geeignete Schutzmaßnahmen zu informieren, berichtete Dr. Levke Quabeck, MPH, aus der Organisationseinheit für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination im öffentlichen Gesundheitswesen (QPK) des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf.

Hitzewarnungen richtig verbreiten

PD Dr. med. Michael Barker von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, ebenfalls Mitglied im Kernteam des Aktionsbündnisses, ging in seinem Vortrag auf Hitzeaktionspläne und insbesondere Hitzewarnungen ein. Eine Schlüsselfunktion stelle der Anschluss der Gesundheitseinrichtungen an das Warnsystem des Deutschen Wetterdienstes dar. Dessen Warnungen beziehen bei der Modellberechnung der gefühlten Temperatur viel mehr Faktoren mit ein als die reine Temperaturprognose. Allerdings setze der Anschluss an die Alarmkette auch eine stabile technische Infrastruktur voraus. Im vergangenen Jahr seien beispielsweise Probleme in der Lagezentrale des Landes Berlin aufgetreten, die zeitweise die Zustellung von Warn-Mails behindert hatten. Aufgrund von Fehlermeldungen und teilweise kritischen Rückmeldungen sollen die Verteilerlisten zeitnah aktualisiert und die Inhalte mit einem Hinweis auf die Website des Aktionsbündnisses Hitzeschutz kompakter gestaltet werden.

Wie Informationen zu Hitzegefahren die breite Bevölkerung erreichen können, beschäftigt auch Ole Eggert, Pressesprecher der Ärztekammer Berlin. Neben einer Pressemitteilung, einer Pressekonferenz und einer geplanten Social Media-Serie hob er besonders eine geplante Medienkampagne über das „Berliner Fenster“ der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hervor. Paul Schmidt-Yáñez vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) kündigte außerdem die Informationskampagne „Info-Hilfe“ mit konkreten Tipps zum Umgang mit extremer Hitze an. Dabei sollen im Sommer über die Obdachlosenhilfe, Essensausgabestellen und Apotheken unter anderem Postkarten und Flyer verteilt werden, so Schmidt-Yáñez. Besonders wichtig für die Öffentlichkeitsarbeit sei außerdem der bundesweite Hitzeaktionstag von Bundes- und Landesärztekammern am 14. Juni 2023, an dem mit verschiedenen Veranstaltungen auf das Thema „Hitze“ aufmerksam gemacht werden soll.

Zum Abschluss des dreistündigen Workshops äußerte sich Kammerpräsident PD Dr. med. Peter Bobbert beeindruckt darüber, was gerade im Zusammenhang mit Hitzeschutz passiere. Er betonte aber auch, dass es nicht ohne privates Engagement gehe, weil derzeit von offiziellen Stellen kein Geld zur Verfügung gestellt werde. Und Michael Barker von der Senatsverwaltung fasste zusammen: „Wir haben schon einiges gemeinsam gerockt, aber der Weg ist noch steinig und geht aufwärts. Wir müssen dranbleiben und dürfen keinen Gang runterschalten.“

Hitzeaktionstag

Mit Hitze keine Witze!

Im Rahmen des bundesweiten Hitzeaktionstages finden verschieden Online-Symposien und Veranstaltungen statt, veranstaltet von der Bundesärztekammer und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG):

Zusätzlich veranstalten Health for Future Gruppen in vielen Städten eigene Aktionen, Infos dazu gibt es auf Instagram.

Das Hitzeteam von KLUG ist per E-Mail erreichbar: .

Weiterführende Informationen werden zeitnah auf der Website der Bundesärztekammer zur Verfügung gestellt: www.bundesaerztekammer.de

Mehr zum Thema

Auch für den Sommer 2023 lauten die Prognosen der Wetterexpert:innen „heiß“. Berlin und andere Großstädte bereiten sich bereits auf die Herausforderungen vor. Ihr Ziel: die Menschen vor der Belastung durch Hitze zu schützen.

Dr. med. Uta Schannewitzky ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet seit 2009 am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee. „Berliner Ärzt:innen“ hat mit ihr über ihre Aufgaben als ärztliche Klimabeauftragte gesprochen.

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