„Mit der Digitalisierung sind wir auf dem richtigen Weg“

Dr. med. Galina Münzer arbeitet als Allgemeinmedizinerin und Hausärztin in eigener Praxis in Marzahn-Hellersdorf und ist Mitglied im Hausärzteverband Berlin-Brandenburg. Im Interview erzählt sie, wo in ihrer Praxis der Schuh drückt und warum sie der Gesundheitspolitik einen Bürokratieabbau durchaus zutraut.

Interview mit
Dr. med. Galina Münzer

Fachärztin für Allgemeinmedizin

Foto: privat

Redaktion: Frau Dr. Münzer, haben Sie schon mal ausgerechnet, wie viel Zeit Sie jeden Tag mit Bürokratie verbringen?

Ungefähr ein Drittel meiner Arbeitszeit. Und da ich in einem unterversorgten Bezirk arbeite, hat mein Tag mehr als acht Stunden.

Ihr Wartezimmer ist voll. Was nervt am meisten?

Das sind vor allem die unzähligen Anträge, die ich ausfüllen muss: für die Krankenkassen, die Rentenversicherung, das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo), die Jobcenter und viele weitere Stellen. Bei den Kassen ist es so, dass es Mustervereinbarungen gibt, die müssen wir ausfüllen, die bekommen wir auch vergütet. Aber es kommen auch etliche formfreie Nachfragen, zum Beispiel warum wir einem Patienten ein bestimmtes Hilfsmittel verordnet haben. Das muss ich eigentlich nicht erklären. Wenn ich die Anfrage nicht beantworte, bin ich zwar auf der rechtlichen Seite sicher, aber der Patient ist dann möglicherweise der Leidtragende. Deshalb setzt man sich doch hin und opfert unbezahlte Zeit. Das nervt.

Für Ärzt:innen existieren unzählige, gefühlt zum Teil unnötige Vorschriften. Wie gehen Sie damit um?

Tatsächlich haben wir einen Haufen Vorschriften. Aber die sind schon so, dass ich sage: „Da steckt ein tieferer Sinn dahinter.“ Deshalb versuchen wir, uns daran zu halten. Was vorkommt, ist, dass Dinge doppelt und dreifach abgefragt werden oder die Fragen wirklich keinen Sinn ergeben. Dann greife ich zum Telefon oder schicke ein Fax zurück und kläre das mit den entsprechenden Stellen. Vieles löst sich dann in Luft auf.

Ist das ein Tipp, den Sie auch anderen Ärzt:innen weitergeben würden?

Unbedingt. Ich sollte mich als Ärztin oder Arzt immer fragen, ob ich überhaupt verpflichtet bin, dieses oder jenes zu beantworten. Und ich sollte wissen, dass Krankenkassen oft Dinge erfragen, die sie nicht erfragen dürfen oder die mit dem Datenschutz nicht vereinbar sind. Im Hinterkopf sollte man natürlich immer das Wohl des Patienten haben.

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Wie groß ist Ihr Vertrauen in die Politik, Bürokratie abzubauen?

Mein Vertrauen ist jetzt nicht riesengroß, aber auch nicht total gering. Denn mit der Digitalisierung sind wir meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg. Wenn die Tools funktionieren, bedeutet das für uns eine enorme Arbeitserleichterung. Wenn nicht, haben wir natürlich zusätzlichen Aufwand.

Und funktioniert es?

Reibungslos lief am Anfang nichts. Wir hatten sowohl mit der elektronischen AU-Bescheinigung als auch mit dem E-Rezept – wie alle Praxen – große Schwierigkeiten und mussten vieles noch mal analog ausstellen. Das hat Zeit gekostet. Aber die Schwachstellen sind inzwischen größtenteils behoben. Was bis heute nicht funktioniert, ist die elektronische Patientenakte (ePa). Das hängt vielleicht vom jeweiligen Softwareanbieter ab, aber wir können nur Kleinigkeiten auf die ePa laden. Das steckt noch in den Kinderschuhen.

Was wünschen Sie sich?

Momentan ist es ja so, dass wir unter uns Ärzten e-Briefe versenden können. Ich wünsche mir das auch für die vielen Anträge und Schriftwechsel mit externen Stellen, von denen ich eingangs gesprochen habe. Das würde mir die Arbeit wirklich sehr erleichtern. Ob Karl Lauterbach das noch schafft oder aber seine Nachfolger ‒ ich finde, die eingeschlagene Richtung stimmt.

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