„Die Verantwortung für gute Gesundheitsentscheidungen nur beim Individuum zu sehen, greift zu kurz“

Drei Fragen an Corinna Schaefer, Vorsitzende des Deutschen Netzwerkes Gesundheitskompetenz e. V. (DNGK) und Stellvertretende Institutsleitung des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Das ÄZQ ist ein gemeinsames Institut der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Dort leitet sie die Abteilungen 1 „Evidenzbasierte Medizin und Leitlinien“ und 2 „Patienteninformation“.

Corinna Schaefer
Interview mit
Corinna Schaefer

Deutsches Netzwerk
Gesundheitskompetenz e.V. (DNGK)

Foto: ÄZQ

Kompetent entscheiden

Redaktion: Frau Schaefer, von Gesundheitskompetenz ist in letzter Zeit sehr viel die Rede. Zusammen mit anderen haben Sie einen Verein gegründet, der den Begriff im Namen führt. Worin sehen Sie in diesem weiten Feld den besonderen Auftrag des DNGK?

Corinna Schaefer: Gesundheitskompetenz ist ein Ziel, dem man sich auf zwei Wegen nähern kann: Einmal geht es darum, evidenzbasierte Patienteninformationen zu erstellen, zum anderen aber auch darum, diese Informationen in der geeigneten Form zu übermitteln. Die Akteure, die die Informationen erstellen, sind oft weniger gut bei der Vermittlung: Bei der anderen Seite ist nicht durchweg klar, ob die Informationen auch sachlich richtig sind. Im Netzwerk versuchen wir, die Akteure miteinander in Kontakt zu bringen. Wir haben ja alle nur begrenzte Ressourcen und sollten nicht auch noch zueinander in Konkurrenz treten.

Es gibt doch aber schon die „Allianz für Gesundheitskompetenz“, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit seinen Gesundheitsinformationen und einige andere Initiativen.

Im Unterschied zur „Allianz für Gesundheitskompetenz“, die der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Jahr 2017 ins Leben rief, um alle in diesem Bereich Tätigen zur Förderung der Gesundheitskompetenz zu bewegen, sind wir ein Verein. Wir müssen Leute gewinnen, die die Idee verfolgen, Mitglieder oder Kooperationspartner:innen zu werden. In gewisser Weise sind wir vergleichbar mit Fachgesellschaften. Gesundheitskompetenz ist ja ein Thema, das sich durch viele klinische Situationen zieht, und sie wird immer stärker auch in Leitlinien abgebildet.

Welche Hilfen bietet das Netzwerk konkret, welche bleiben anderen Akteuren vorbehalten?

Wir bieten Austausch und über unsere gut besuchten Online-Seminare ein Forum zur Diskussion wichtiger Themen. Und wir stellen Methoden und Instrumente bereit, die bei der Orientierung im System helfen sollen: Zum Beispiel haben wir einen Katalog von Kriterien für verlässliche Gesundheitsinformationen erarbeitet. Außerdem haben wir geprüft, welche Anbieter:innen diese Kriterien erfüllen. Wer wissen will, wer dazugehört, findet diese auf unserer Website unter „Verlässliches Gesundheitswissen“. Eigene Gesundheitsinformationen erstellen wir nicht, weil es schon genügend gute Anbieter:innen gibt.

Die Verantwortung für gute Entscheidungen nur auf der Ebene der oder des Einzelnen zu sehen, greift aber zu kurz. Auch die Strukturen können es erschweren, sich zurechtzufinden. Gesundheitskompetenz hat deshalb auch eine systemische Komponente, die organisationale Kompetenz. Die Frage ist, wo auch Krankenkassen, Gesundheitseinrichtungen, Arbeitgebende und andere Verantwortung dafür übernehmen können, dass Einzelne gute Entscheidungen treffen.

Es geht darum, evidenzbasierte Patienteninformationen zu erstellen und diese in der geeigneten Form zu übermitteln.

Corinna Schaefer,
Deutsches Netzwerk Gesundheitskompetenz e. V.
Corinna Schaefer, Deutsches Netzwerk Gesundheitskompetenz e. V.

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