Zwischen Paragrafen und Patient:innen – Rehabilitationsträger und -zugang

Zum Arbeitsalltag der meisten Ärzt:innen gehört nicht nur die Versorgung ihrer Patient:innen. Regelmäßig müssen sie über Arbeitsunfähigkeit entscheiden oder Befunde für verschiedene Sozialversicherungsträger erstellen. In der Reihe „Zwischen Paragrafen und Patient:innen – Sozialmedizin verständlich“ gewährt Dr. med. Andrea Bratfisch einen Einblick in sozialmedizinische Themen und ordnet diese für die ambulante und klinische Tätigkeit ein. Dafür greift sie auf ihre umfassenden Erfahrungen als Bereichsleiterin im Dezernat Angewandte Sozialmedizin der Abteilung Prävention, Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Rentenversicherung Bund zurück.

Rehabilitationsträger und -zugang

Eine kurze Einführung zum Thema Rehabilitation finden Sie in Teil I: Rehabilitationsindikation. Dort werden die grundlegenden Maßnahmen, Ziele und Anwendungsbereiche erläutert.

Rehabilitationsträger

Rehabilitationsleistungen werden von verschiedenen Sozialversicherungsträgern nach dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) erbracht.

Eine Übersicht der einzelnen Träger und der erbrachten Leistungen zeigt die folgende Tabelle.

Träger der Leistungen zur Teilhabe (§ 6 Abs. 1 SGB IX)

Tabelle angepasst nach DRV Schrift Band 81, Sozialmedizinisches Glossar der Deutschen Rentenversicherung; Sortierung absteigend nach Ausgabenvolumen

Neben diesen Trägern gibt es die Integrationsämter, die keine eigenständigen Rehabilitationsträger sind, aber ergänzende Leistungen erbringen, insbesondere die sogenannte „begleitende Hilfe im Arbeitsleben“, die auf die besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes und die Bedürfnisse behinderter Menschen abgestimmt ist.

Statistiken zu den Ausgaben der einzelnen Rehabilitationsträger sind sehr gut bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. zusammengefasst.

Rehabilitationsziel in Abhängigkeit vom Reha-Träger

Die Zielsetzung der Rehabilitation ist bei den unterschiedlichen Trägern je nach gesetzlichem Auftrag festgelegt:

  • Bundesagentur für Arbeit
    Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Förderung der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen (gemäß SGB III / SGB II)
  • Gesetzliche Krankenversicherung
    Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zur Vermeidung, Milderung oder Beseitigung von Pflegebedürftigkeit oder Behinderungen (gemäß SGB V)
  • Gesetzliche Rentenversicherung
    Grundsatz „Reha vor Rente“ – Leistungen zur Teilhabe, durch die ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhindert oder die dauerhafte berufliche Wiedereingliederung ermöglicht werden (gemäß SGB VI)
  • Gesetzliche Unfallversicherung
    Leistungen zur Teilhabe nach einem Arbeitsunfall oder bei einer Berufskrankheit (gemäß SGB VII)
  • Träger der Eingliederungshilfe
    Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen nach dem Eingliederungshilferecht (SGB IX Teil 2)
  • Träger der öffentlichen Jugendhilfe
    Eingliederungshilfe für Kinder, Jugendliche und ggf. junge Volljährige mit einer (drohenden) seelischen Behinderung
  • Träger der Sozialen Entschädigung
    Entschädigungsleistungen für Menschen, die einen Gesundheitsschaden erlitten haben, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft einsteht (zum Beispiel Opfer von Gewalttaten oder ihre Angehörigen, SGB XIV)

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Zugang zur Reha

Welcher Träger für eine Leistung zuständig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von der Ursache der Behinderung, den Versicherungszeiten oder dem Zusammenhang mit der Beschäftigung. Auch die Größe des Betriebs oder die Beschäftigungsquote können eine Rolle spielen, besonders bei Leistungen für Arbeitgeber.

Kurz zusammengefasst für die häufigsten Reha-Leistungen:

  • Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt meist die Kosten bei Rentnern, Pflegebedürftigen sowie bei Müttern und Vätern mit ihren Kindern (zum Beispiel medizinische Reha). Mutter- oder Vater-Kind-Kuren sind dabei eine spezielle Vorsorgeleistung.
  • Die gesetzliche Rentenversicherung trägt die Kosten bei Berufstätigen, bei denen Reha die Erwerbsfähigkeit stabilisieren, verbessern oder wiederherstellen soll.
  • Die gesetzliche Unfallversicherung ist zuständig bei Berufskrankheiten oder Arbeitsunfällen.

Wichtig: Ein Antrag ist immer notwendig. Es ist ratsam, den Antrag beim wahrscheinlich zuständigen Träger zu stellen. Dieser prüft die Zuständigkeit und leitet den Antrag gegebenenfalls weiter. Je nach Träger kann man die Antragsformulare und begleitende Unterlagen (zum Beispiel Befundberichte) auf den jeweiligen Websites herunterladen oder anfordern.

Seit dem 1. Juli 2023 stärkt das sogenannte Trio-Gesetz das Wunsch- und Wahlrecht für medizinische Rehabilitationsbehandlungen: Betroffene können eine Wunschklinik selbst auswählen und diese im Antrag angeben. Vorrangig sollten bei der Wahl medizinische Gründe berücksichtigt werden, so sollten die Behandlungsschwerpunkte und Therapiemöglichkeiten auf das Krankheitsbild ausgerichtet und spezialisiert sein. Um Ihre Patientinnen und Patienten mit Rehabilitationsbedarf gut zu beraten, können Sie sich dazu umfassend auf der Website der Deutschen Rentenversicherung informieren. Für die Auswahl von geeigneten Kliniken gibt es ebenfalls eine immer aktuelle Übersicht unter: Ihr Wegweiser zu einer qualitätsgesicherten Reha.

Hier werden Qualitätsparameter abgebildet und gewichtet und man erhält aktuelle Informationen zu den Wartezeiten in der jeweiligen Klinik.

Anschlussrehabilitationen (AHB) und Anschlussgesundheitsmaßnahmen (AGM) sind ganztägig ambulante oder stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die sich unmittelbar an eine stationäre Krankenhausbehandlung anschließen, nur bei bestimmten Erkrankungen in Betracht kommen und nach besonderen Vorgaben der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger durchgeführt werden.

Mehr über die unterschiedlichen Formen der Rehabilitation erfahren Sie im nächsten Teil dieser Reihe.

Mehr zum Thema

Seit Juli 2023 gilt das Trio-Gesetz mit neuen Regelungen für mehr Transparenz bei der Vergabe medizinischer Rehabilitationsleistungen. Ärzt:innen sollten Patient:innen aktiv über das Wunsch- und Wahlrecht informieren und bei der Klinikwahl beraten.

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