3 Fragen an Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens

Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens ist Facharzt für Pathologie, Chefarzt und Leiter des Instituts für Pathologie am Klinikum Region Hannover sowie Leiter der Diagnostik am Institut für Pathologie der Universitätsmedizin Magdeburg. Seit November 2024 ist er Präsident des Berufsverbandes Deutscher Pathologinnen und Pathologen e. V. (BDP). Im Interview berichtet Wilkens über die Herausforderungen seines Fachgebietes.

Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens
Interview mit
Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens

Facharzt für Pathologie, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Pathologinnen und Pathologen e. V. (BDP)

Foto: Klinikum Region Hannover

1. Redaktion: Die Vorstellung von den Aufgaben der Pathologie ist geprägt durch Film und Fernsehen: Ärzt:innen auf Verbrecher­jagd. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Was macht das Fach dennoch so spannend?

Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens: Ja, so ist leider die Vorstellung. Beim Begriff Pathologie denken die Menschen an dunkle Keller, mysteriöse Verbrechen und grübelnde Pathologinnen und Pathologen, die zusammen mit den Ermittlern Detektivarbeit leisten und Fälle lösen. Dieses Bild hält sich hartnäckig, hat mit unserem Arbeitsalltag aber nichts zu tun. Was nicht bedeutet, dass er nicht genauso spannend ist. Ganz im Gegenteil: Die Pathologie steht im Zentrum der modernen Medizin, mit der pathologischen Diagnostik beginnt oft die „Patient Journey“.

Für viele Erkrankungen ist die exakte Diagnose die Basis, auf der die gesamte Behandlung aufbaut. Insbesondere im Bereich der Onkologie ist die differenzierte Diagnostik am Gewebe Voraussetzung für eine am Patienten orientierte Therapie mit dadurch deutlich gesteigerten Chancen auf Heilung. Die Kombination aus mikroskopischer Diagnostik, molekularer Analyse und den Daten unserer klinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen hat sich in den vergangenen Jahren rasch weiterentwickelt.

Diese Zusammenführung und das Bestreben zu wissen und zu erkennen üben eine Faszination aus, die hinter den spannenden Aspekten anderer Facharztbereiche nicht zurücksteht. Sozusagen Detektivarbeit auf einer anderen Ebene. Die Herausforderungen bei der Anwendung praktischer Tätigkeit und theoretischen Wissens begleitet mich persönlich durch mein ganzes Berufsleben und lässt mich jeden Morgen mit dem Wissen ins Institut gehen, wieder etwas Neues zu lernen. Mir ist zumindest in den vergangenen 35 Jahren nie langweilig gewesen.

Die Pathologie ist keine abgeschottete Disziplin, sondern spielt eine Schlüsselrolle in der modernen interdisziplinären Medizin.

Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens,
Facharzt für Pathologie

2. Sie und Ihre Kolleg:innen werden oft als „diagnos­tische Dienst­leister“ für alle medizinischen Fach­gebiete bezeichnet. Wie hat sich die Zusammen­arbeit mit den anderen Disziplinen in den vergangenen Jahren entwickelt?

Die Beschreibung ‚diagnostische Dienstleister‘ greift zu kurz. Die Pathologie ist eine unverzichtbare Partnerin im Hintergrund, der wesentliche Schritte in der Diagnostik anvertraut sind. Nicht selten werden wir um die Möglichkeit beneidet, in vielen Fällen abgesicherte Diagnosen liefern zu können, die eine solide Basis bilden. Allein das dafür notwendige Wissen schafft Akzeptanz im medizinischen Alltag und nicht selten sind wir beratend tätig. Mit dem zunehmenden Wissen und der Erweiterung des Methodenspektrums hat sich in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen stark intensiviert.

In der Onkologie wird das besonders deutlich. Früher haben wir primär mikroskopisch gearbeitet und unsere Diagnosen geliefert. Heute erlauben uns molekularbiologische Verfahren, die Diagnostik umfassend zu erweitern und therapeutische Optionen aufzuzeigen bzw. Therapien festzulegen. Für die personalisierte Krebstherapie ist dies von hervorgehobener Bedeutung. Diese Entwicklungen haben die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen allen in der Onkologie Tätigen enorm vorangetrieben. In den Tumorboards, die mittlerweile Standard sind, tauschen wir uns eng mit Fachkolleginnen und -kollegen aus, um gemeinsam die bestmögliche Therapie für die Patientinnen und Patienten zu finden. Es ist sehr befriedigend zu sehen, wie sich durch eine solch enge Teamarbeit der medizinische Fortschritt etabliert und wie zentral die Pathologie geworden ist. Die Pathologie ist keine abgeschottete Disziplin, sondern spielt eine Schlüsselrolle in der modernen interdisziplinären Medizin.

3. Welche politischen Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Pathologie in Deutschland, und welche Strategien werden Sie verfolgen, um diesen Heraus­forderungen zu begegnen?

Die bereits beschriebene Rolle und Relevanz der Pathologie für die moderne Medizin, gerade im Bereich der Onkologie, scheint vielen Entscheidern im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), im Bundestag und bei den Kostenträgern nicht wirklich bewusst zu sein. Diese nicht angemessene Wahrnehmung führt zu einer Fehleinschätzung der Bedeutung der in der Pathologie geleisteten Arbeit und hat damit zu teils drastischen Honorarkürzungen und Abwertungen in der jüngsten Vergangenheit geführt. Dass eine leistungsfähige pathologische Diagnostik in der Fläche wertvoll für die Solidargemeinschaft ist und natürlich einen adäquaten Gegenwert braucht, muss verstanden werden und sich wieder durchsetzen. Dies ist eine der zentralen Herausforderungen, vor denen wir als Berufsverband stehen.

Eine weitere ist – wie in vielen anderen Disziplinen auch – der Fachkräftemangel. Pathologinnen und Pathologen werden dringend gesucht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Fach in den meisten Ausbildungsmodellen nur noch als „Randfach“ vertreten ist. Es fehlt die Sichtbarkeit während des Studiums. Über die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit brauchen wir gar nicht erst zu reden.

Um die angesprochenen Probleme zu lösen, werden wir den Dialog mit der Politik und der Selbstverwaltung intensivieren. Wir müssen noch deutlicher machen, dass die Pathologie eine tragende Säule der modernen Medizin ist, und dass die moderne Medizin ohne Pathologie nicht machbar ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Pathologie eine adäquate Berücksichtigung in regulatorischen Prozessen und eine auskömmliche Finanzierung benötigt. Investitionen in die pathologische Diagnostik sind letztlich Investitionen in bessere Therapien und damit in eine bessere Patientenversorgung

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Unter Zuhilfenahme moderner Verfahren, digitaler Bildgebung und Künstlicher Intelligenz (KI) können viele Krankheiten auch heute nur durch die mikroskopische Untersuchung von Gewebe abschließend diagnostiziert werden. Die Pathologie ist damit Lotsin für die Therapie.

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