Gender, Vertrauen und Sprache – Was ärztliche Kommunikation heute leisten muss

Wie gelingt eine ärztliche Kommunikation zu den Themen Sexualität, Körper und Identität? Anhand realer Fallbeispiele zeigt dieser Beitrag, wie eine gender- und diversitätssensible Gesprächsführung gelingt und warum sie für Vertrauen, Versorgung und Selbstbestimmung essenziell ist.

Eine Ärztin bei Konsultationen mit einem Paar in der Klinik.

Eine auf Gender- und Diversitätsaspekten basierende Gesprächsführung ist entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und eine optimale Versorgung zu gewährleisten.

Sensible Anamnese

Sexualität betrifft alle Menschen – doch kaum jemand spricht offen darüber, auch nicht im ärztlichen Gespräch. Dabei ist die Sexualanamnese ein essenzieller Bestandteil der medizinischen Versorgung, beispielsweise bei Infektionen, chronischen Beschwerden, psychischen Belastungen, Kinderwunsch, Verhütung oder in der Prävention. Sie gehört zur hausärztlichen Basisversorgung – wird jedoch nach wie vor selten strukturiert und professionell umgesetzt.

Warum? Weil Sexualität im ärztlichen Kontext noch immer als heikel gilt. Viele Ärzt:innen fürchten, zu weit zu gehen, und Patient:innen haben gelernt, dass Gespräche über Sexualität selten respektvoll oder hilfreich waren. Genau deshalb braucht es einen neuen Zugang zur Sexualanamnese – einen, der nicht nur Symptome, sondern auch Scham, Rollenbilder, Körpererleben und Beziehungsdynamiken einbezieht. Einen Zugang, der auf Beziehung statt auf Routine setzt. Einen Zugang, der Mut macht zur Offenheit – auf beiden Seiten.

Wann ist eine Sexualanamnese sinnvoll? 


Sexualität betrifft viele Bereiche der Medizin und sollte daher gezielt thematisiert werden, etwa:

  • bei unklaren urogenitalen Beschwerden
  • bei auffälligen Laborwerten (zum Beispiel Leukozytose, Leberwerte, HIV)
  • im Rahmen von Check-ups und bei der Überprüfung des Impfstatus
  • bei psychischen Symptomen mit möglichem Bezug zu Beziehung, Trauma oder Körperbild
  • bei Kinderwunsch, Verhütung und Schwangerschaft
  • bei chronischen Erkrankungen mit Einfluss auf die Sexualität (zum Beispiel Diabetes, Depressionen oder koronare Herzkrankheit)

Eine gute Sexualanamnese ist kein Pflichtprogramm – sondern ein Angebot. Und genau darin liegt ihre Stärke: Sie schafft Vertrauen, wenn sie sensibel, achtsam und dialogisch geführt wird. Anhand von drei Beispielen aus meiner sexualmedizinischen Sprechstunde möchte ich zeigen, wie eine sensible Sexualanamnese gelingen kann.


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Fazit

Bei einer Sexualanamnese geht es nicht um Technik, sondern um Intimität, Sicherheit, Körper­wahr­nehmung und Identität. Sie verlangt keine perfekten Worte, aber eine klare Haltung: respektvoll, offen und empathisch. Und sie beginnt immer mit dem Satz: „Wenn Sie möchten, können wir auch darüber sprechen.“

Weitere Fallbeispiele und Impulse für eine gelungene Sexualanamnese finden Interessierte in dem Buch Keine Diagnose durch die Hose – Fallgeschichten aus der Sexualmedizin.

Veranstaltungshinweis

Fachtag 2025 „Lust auf Reden."

Die kostenfreie Fachtagung Fachtag „Lust auf Reden. Sprechen über Sexualität in der medizinischen Versorgung und der Aus-, Fort- und Weiterbildung“ wird vom Projekt „Let’s talk about Sex – reloaded“ in Kooperation mit dem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV) ausgerichtet. 

Es erwarten Sie Diskussionsrunden, Präsentationen, Workshops und Gespräche zu folgenden Themen:

  • Bedeutung von Sexualität und die offene Kommunikation darüber in der Arzt-Patient:innen-Beziehung
  • Sexualität als Tabu in der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung – aktueller Stand und zukünftige Perspektiven
  • Intersektionalität in der medizinischen Kommunikation über Sexualität
  • Lehr- und Praxisbeispiele für ein inklusives, diskriminierungs- und vorurteilsfreies Sprechen über Sexualität

Wann: 21. und 22. November 2025
Wo: Seminaris Campus Hotel Berlin Dahlem
Informationen: Fachtagung 2025
Anmeldung: Fachtag: Lust auf Reden

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