Zwischen Paragrafen und Patient:innen – Erwerbsminderungsrente I

Die Erwerbsminderungsrente ist eine Lohnersatzleistung, die für viele Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihre Tätigkeit nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang ausüben können, eine wichtige soziale Absicherung darstellt. Als behandelnde Ärzt:innen sind Sie nicht nur medizinische Betreuer:innen, sondern oft auch die erste Ansprechperson für viele Patient:innen, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie bei langfristigen Erkrankungen finanziell abgesichert sind. In diesem ersten Teil der Serie zum Thema Erwerbsminderungsrente geht es um den Zugang zur Erwerbsminderungsrente, ihre Formen und einen kurzen statistischen Überblick.

Zugang zur Erwerbsminderungsrente

Der Zugang zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente setzt mehrere Bedingungen voraus, die sowohl die Versicherungszeiten als auch die gesundheitlichen Voraussetzungen betreffen.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, müssen Versicherte bestimmte Voraussetzungen bezüglich ihrer Rentenversicherungszeiten erfüllen. Grundsätzlich muss die Person mindestens fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung versichert gewesen sein (allgemeine Wartezeit). Eine weitere Bedingung ist, dass sie in den fünf Jahren vor der Antragstellung mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben muss. Liegen diese Voraussetzungen (oder eine der Ausnahmen, für die es gesonderte Regeln gibt) nicht vor, wird der Antrag auf Erwerbsminderungsrente in der Regel ohne eine weitere medizinische Prüfung abgelehnt.

Medizinische Voraussetzungen

Die medizinischen Voraussetzungen für den Erhalt einer Erwerbsminderungsrente werden vom beratungsärztlichen Dienst bzw. sozialmedizinischen Dienst der Rentenversicherungsträger geprüft. Die gesetzliche Grundlage für diese Prüfung ist in § 43 SGB VI formuliert.

Versicherte erhalten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung weniger als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können. Sie erhalten nur eine teilweise Erwerbsminderungsrente, wenn sie mindestens drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten können. Bewertungsgrundlage ist nicht die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, sondern jede denkbare Tätigkeit (zur Definition des „allgemeinen Arbeitsmarktes“ siehe  Arbeitsunfähigkeit und die Hintergründe für die tägliche Praxis).

Bei der sozialmedizinischen Beurteilung gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Besteht trotz vorliegendem Antrag auf Erwerbsminderungsrente eine positive Reha-Prognose für eine medizinische oder berufliche Rehabilitation – das heißt, kann durch diese Maßnahme eine Erwerbsminderung abgewendet werden –, so ist diese vorrangig durchzuführen (§ 9 SGB VI).

Antragstellung und Begutachtung

Um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, muss ein Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt werden. Dafür sind umfangreiche medizinische Unterlagen einzureichen, die die Schwere und Dauer der gesundheitlichen Einschränkungen belegen. In vielen Fällen veranlasst der beratungsärztliche Dienst des Rentenversicherungsträgers eine ärztliche sozialmedizinische Begutachtung. Liegen keine Unterlagen vor oder werden Unterlagen nicht eingereicht, kann keine umfassende Prüfung erfolgen.

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Formen der Erwerbsminderungsrente

Es gibt zwei Formen der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente:

Die teilweise Erwerbsminderungsrente kommt infrage, wenn ein Mensch aufgrund von Krankheit oder Behinderung nur noch in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann. Die Höhe der Rente beträgt in der Regel die Hälfte der vollen Erwerbsminderungsrente und soll eine Aufstockung bei gesundheitlich noch möglicher Teilzeittätigkeit sein.

Eine Sonderform ist die Berufsunfähigkeitsrente der Deutschen Rentenversicherung für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden und nicht auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden können. Für diese Personengruppe gilt noch das alte Rentenrecht, in dem die Berufsunfähigkeit abgesichert war. Sie entspricht finanziell dem Umfang einer teilweisen Erwerbsminderungsrente. Am 01.01.2001 wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente abgeschafft und durch die Erwerbsminderungsrente ersetzt.

Eine volle Erwerbsminderungsrente wird gezahlt, wenn die versicherte Person aufgrund von Krankheit oder Behinderung nur noch weniger als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie kann auch gezahlt werden, wenn aus sozialmedizinischer Sicht zwar noch ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich vorliegt, aber kein geeigneter Teilzeitarbeitsplatz vorhanden ist.

Eine Erwerbsminderungsrente kann befristet oder auf Dauer bewilligt werden. Näheres dazu erfahren Sie im nächsten Artikel dieser Reihe.

Fazit

Die Erwerbsminderungsrente ist für viele Patient:innen eine Basisabsicherung, wenn gesundheitliche Einschränkungen sie daran hindern, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Als Ärzt:innen spielen Sie eine zentrale Rolle bei der Unterstützung Ihrer Patient:innen während des Antragsprozesses.

In den nächsten Teilen dieser Serie werden wir uns mit den weiteren Aspekten der Erwerbsminderungsrente befassen, insbesondere mit den sozialmedizinischen Begriffen, dem Verfahrensablauf und den auszufüllenden Befundberichten.

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