Arzt der Stars: Hans Haustein im Berlin der 1920er-Jahre

Insgeheim träumen vermutlich viele Ärzt:innen davon, „Doc Hollywood“ zu sein. Anstatt mühsamer Kassenpraxis wäre es doch viel schöner, die kleinen und großen psychosomatischen Probleme so mancher Stars und Sternchen zu kurieren und sich anschließend mit den Patient:innen im Blitzlicht der Paparazzi zu sonnen. Hans Haustein gelang das – zeitweise – ganz gut.

Portrait of Dr. Haustein, Christian Schad

Portrait of Dr. Haustein, Christian Schad, 1928. Öl auf Leinwand, Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid

Hans Haustein (1894-1933)

Geboren am 27. August 1894 als Sohn des Schneidermeisters und Bezirksvorstehers Gustav Haustein, wuchs der junge Hans im Kiez rund um die Berliner Oranienstraße auf. Seine bildungsbeflissenen Eltern schickten ihn auf das Luisenstädtische Real-Gymnasium, dessen Ausbildungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Naturwissenschaften lag. Nach bestandener Reifeprüfung im Herbst 1913 studierte Haustein in Freiburg im Breisgau und in Berlin Humanmedizin. Bereits während des Studiums war Haustein der „Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Frühgeschichte“ beigetreten, bei deren Veranstaltungen aufstrebende Nachwuchsgelehrte leicht mit Koryphäen ins Gespräch kamen. Aufgrund eines Lungenleidens blieb Haustein die Teilnahme am Ersten Weltkrieg erspart und seine militärische Tätigkeit beschränkte sich auf die medizinische Betreuung angehender Piloten am Flugplatz Joachimsthal bei Berlin.

Im Jahr 1920 promovierte er bei dem Sozialhygieniker Alfred Grotjahn. Nach der Promotion 1920 heiratete Haustein seine Freundin Friederike Pappenheim und begann umgehend eine fachärztliche Weiterbildung im Bereich der Diagnose und Therapie von Unterleibsleiden. Er trat der einflussreichen „Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ bei. Politisch stand er aufseiten der Linken und besuchte 1925 die junge Sowjetunion.

Zentrum seines Schaffens: Berlin

Er zeigte sich begeistert von den sozialen Umwälzungen und berichtete über die Sexualreformbewegung, wodurch er sich in Deutschland nicht nur Freunde machte. Doch verstand er sich auch gut mit den konservativen Protagonisten des Faches Medizingeschichte. So publizierte er eine Reihe von Arbeiten über die Geschichte der Behandlung der Geschlechtskrankheiten und bezüglich der Einordnung des Delikts der Sodomie im absolutistischen Preußen. Zentrum seines Schaffens waren Praxis und Wohnung in der Bregenzer Straße 4 im noblen Lichterfelde, wo Haustein 1924 bis 1930 praktizierte. Anschließend verlegte er die Praxis in Haus Nr. 10. Außen prangte in goldenen Lettern das Werbeschild: „Haut-, Harnleiden und Kosmetik“. 

In Praxis und Salon gingen der Maler Christian Schad, der Schriftsteller Lion Feuchtwanger und der Komponist Fred Raymond ein und aus. Im Jahr 1928 porträtierte Schad Haustein als Prototyp des naturwissenschaftlichen Arztes in der Ära der Neuen Sachlichkeit. In seiner Hand hielt Haustein einen Harnröhrenbougie, wie er zur Behandlung gonorrhoisch bedingter Harnröhrenengen verwendet wird – ein unmissverständlicher Hinweis auf die häufigsten Leiden seiner prominenten Kundschaft. Wer das Bild bewundern will, muss heute eine lange Reise auf sich nehmen: Es hängt in Raum 39 im Thyssen-Bornemisza National Museum in Madrid. Christian Schad berichtete später, Haustein habe die „Damen des Gewerbes mit Spezialpessaren“ versorgt – also Schwangerschaften vorgebeugt und die Verschreibung vermutlich nicht mit Krankenkassen oder der sittenpolizeilichen Obrigkeit diskutiert. So beliebt sich Haustein damit bei den Huren – und vermutlich auch bei den Ehefrauen mancher Patienten – machte, so sehr festigte er damit auch seine Markierung als „Salonbolschewist“ durch seine Feinde.

Tod statt Exil

Hans Haustein fiel unter die erste Verhaftungswelle unter den Nationalsozialisten 1933 und fand sich an der Seite prominenter Sozialdemokraten, Kommunisten und dem Anarchisten Erich Mühsam im Konzentrationslager Brandenburg an der Havel wieder. Seine ärztliche Zulassung hatten ihm die neuen Machthaber bereits im Juni 1933 entzogen. Ende Oktober wurde er nach Berlin entlassen und fand sich in den Trümmern seines Lebenswerks wieder.

Zum Gang ins Exil konnte er sich nicht entschließen, doch musste er die Erfahrung machen, dass keiner seiner zuvor so zahlreichen „Freunde“ sich bereitfand, ihm beizustehen. Daher suchte er im Laufe der zweiten Novemberwoche 1933 eine Apotheke auf und erstand dort mühelos eine größere Dosis Zyankali, mit deren Hilfe er sich am 12. November des gleichen Jahres suizidierte. Zügig wurde er aus der Erinnerungskultur des Berlins der „Goldenen Zwanziger“ getilgt und eher zufällig im Kontext der Erforschung dieses Jahrzehnts nach der Jahrtausendwende wieder entdeckt.

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