Hinweis
Es geht hierbei ausschließlich um die gesetzliche Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherungsträger. Es gibt zahlreiche private Versicherungsträger, bei denen man Versicherungsverträge zur Absicherung im Falle einer Berufsunfähigkeit abschließen kann. Hier gelten dann immer die Bedingungen des jeweiligen Vertragstextes.
Was bedeutet Erwerbsminderungsrente (EMR)?
Die Renten wegen Erwerbsminderung sind eine Leistung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) für Versicherte, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr in der Lage sind, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Eine Rente wegen Erwerbsminderung wird gewährt, wenn eine volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegt, die länger als sechs Monate andauert und die versicherte Person in ihrer Erwerbsfähigkeit erheblich einschränkt (siehe dazu auch die zwei vorherigen Artikel dieser Reihe).
Das EMR-Verfahren
Der Antrag auf EMR kann durch die versicherte Person selbst oder durch eine bevollmächtigte Person gestellt werden. Der Antrag wird an den zuständigen Träger der DRV gerichtet. Der weitere Ablauf lässt sich grob in vier Phasen unterteilen:
1. Antragsstellung und medizinische Sachaufklärung
Zum Antrag muss die versicherte Person allgemeine Angaben machen und medizinische Informationen mitteilen. Wichtig sind insbesondere die Angaben zu den aktuell behandelnden Ärzt:innen und/oder Kliniken sowie die persönliche Einschätzung der versicherten Person zum Grund und Zeitpunkt des Beginns ihrer Leistungsminderung. In einer ergänzenden Selbstauskunft können Angaben zu bisherigen Therapien und zur Rehabilitationsmotivation gemacht werden.
Bereits mit dem Antrag können Atteste von behandelnden Ärzt:innen eingereicht werden, die dem Sozialmedizinischen Dienst der DRV Hinweise zu den bestehenden Funktionseinschränkungen geben können.
Sind die versicherungsrechtlichen Punkte geklärt, fordert die DRV in der Regel zeitnah einen ausführlichen Befundbericht an. Welche Punkte beim Ausfüllen des Formulars zu beachten sind, erfahren Sie im nächsten Artikel dieser Reihe, der am 23. Januar 2026 erscheinen wird.
2. Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung
Beim EMR-Verfahren prüft der Sozialmedizinische Dienst der DRV, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine EMR erfüllt sind. Hierzu sind aussagekräftige medizinische Unterlagen notwendig, um die bestehenden Funktionseinschränkungen in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit beurteilen zu können. Auch Angaben zu – gegebenenfalls noch ausstehender – Diagnostik oder therapeutischen Interventionen sind wichtig. Unter Umständen ist eine ergänzende gutachterliche Untersuchung der antragstellenden Person erforderlich. Die Fachrichtung der Begutachtung wird dabei vom Sozialmedizinischen Dienst der DRV festgelegt.
Der Sozialmedizinische Dienst der DRV gibt dann eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ab, die sich an den gesetzlichen Vorgaben orientiert (§ 43 SGB VI). Sie enthält Angaben zum positiven und negativen Leistungsbild sowie zum zeitlichen Umfang der Erwerbsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit und für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dabei wird auch immer geprüft, ob nach dem Grundsatz „Reha vor Rente“ eine Leistung zur Teilhabe infrage kommt. Im Rahmen des EMR-Verfahrens kann ein Antrag auf eine Reha-Leistung vom sozialmedizinischen Dienst angeboten werden.
3. Entscheidung der DRV
Unter Berücksichtigung der sozialmedizinischen Beurteilung trifft die DRV eine Entscheidung über den Antrag auf Erwerbsminderungsrente.
4. Widerspruch und Klage
Gegen die Entscheidung der Rentenversicherung kann Widerspruch eingelegt werden. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids eingereicht werden. Als weiteres Rechtsmittel kann anschließend auch Klage vor dem zuständigen Sozialgericht eingereicht werden.
Im Widerspruchsverfahren ist es wichtig, diesen gut zu begründen. Dann erfolgt gegebenenfalls eine erneute sozialmedizinische Prüfung und es sind auch weitere gutachterliche Untersuchungen möglich. Auch im Widerspruchsverfahren kann eine Rehabilitationsleistung angeboten werden.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht leitet die zuständige Sozialrichterin bzw. der zuständige Sozialrichter das Verfahren und ermittelt gegebenenfalls anhand von Befund- und Behandlungsberichten, gezielten Beweisfragen und/oder Sachverständigengutachten weiter.
Immer auf dem Laufenden bleiben. Melden Sie sich hier für unseren Newsletter an.
Schnittstellen zwischen Ärzt:innen und Rentenversicherung
Eine gute Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen und der DRV ist entscheidend, um das EMR-Verfahren effizient und ökonomisch durchzuführen. Befundberichte sollten die Auswirkungen der Erkrankung(en) sowie die damit einhergehenden fachspezifischen Funktionsstörungen präzise darlegen. Auch Kontextfaktoren wie die familiäre Situation, Pflegetätigkeiten, Lebensumstände, Angaben zur Mobilität etc. können für die Beurteilung sehr hilfreich sein.
Gutachterlich tätige Ärzt:innen sowie die ärztlichen Kolleg:innen im Sozialmedizinischen Dienst der DRV müssen die Schwere der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit objektiv beurteilen. Sie sind auf umfassende, sachliche und fundiert belegte Angaben angewiesen.
Wichtige Aspekte im Überblick
Die effiziente Durchführung einer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung hängt oft von der Qualität der ärztlichen Dokumentation ab. Hier sollten Ärzt:innen nicht nur die medizinischen Fakten und Diagnosen schildern, sondern auch die Auswirkungen auf die Teilhabe ihrer Patient:innen detailliert und nachvollziehbar darlegen. Eine enge und zeitnahe Kommunikation zwischen Ärzt:innen und der DRV kann den Prozess deutlich beschleunigen und Missverständnisse vermeiden.
Fazit
Das EMR-Verfahren ist ein komplexer Prozess, der juristische und medizinische Expertise erfordert. Ärzt:innen spielen eine Schlüsselrolle, indem sie mit ihrer medizinischen Sachkenntnis und ihrem Wissen über die Kontextfaktoren ihrer Patient:innen zur Entscheidungsfindung beitragen. Eine gründliche Dokumentation und eine enge Zusammenarbeit mit der DRV sind dabei entscheidend.
Durch ihre Mitwirkung können Ärzt:innen sicherstellen, dass ihre Patient:innen die Unterstützung erhalten, die sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen benötigen, und den behördlichen Prozess gleichzeitig effektiv begleiten.