Hinweis
Es geht hierbei ausschließlich um die gesetzliche Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherungsträger. Es gibt zahlreiche private Versicherungsträger, bei denen man Versicherungsverträge zur Absicherung im Falle einer Berufsunfähigkeit abschließen kann. Hier gelten dann immer die Bedingungen des jeweiligen Vertragstextes.
Erwerbsminderungsrente für Ärzt:innen
Für Ärzt:innen ist es wichtig, den Unterschied zwischen Arbeitsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung zu verstehen, da neben der Diagnose von Krankheiten und der Dokumentation von Gesundheitszuständen auch häufig eine sozialmedizinische Beratung von Patient:innen notwendig ist.
Arbeitsunfähigkeit (AU)
Eine Person gilt als arbeitsunfähig, wenn sie ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit aufgrund einer Krankheit nicht mehr ausführen kann oder dies nur unter der Gefahr einer Verschlimmerung der Krankheit tun könnte. Dabei müssen die konkreten Aufgaben und Bedingungen der ausgeübten Tätigkeit berücksichtigt werden. Auch wenn eine Krankheit noch nicht direkt arbeitsunfähig macht, kann Arbeitsunfähigkeit vorliegen, wenn absehbar ist, dass die Arbeit die Gesundheit oder Genesung beeinträchtigen würde und dadurch eine Arbeitsunfähigkeit eintreten könnte.
In der Regel ist eine Arbeitsunfähigkeit vorübergehend, das heißt, die Person kann nach einer bestimmten Zeit mit der entsprechenden Behandlung und Rehabilitation wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden.
Während dieser Zeit erhält die Person in den ersten sechs Wochen eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber und im Anschluss daran Krankengeld von der Krankenkasse als Lohnersatzleistung. Kommt keine neue arbeitsunfähigkeitsbegründende Erkrankung hinzu, kann maximal 72 Wochen innerhalb von drei Jahren Krankengeld gezahlt werden (insgesamt 78 Wochen Arbeitsunfähigkeits-Dauer). In dieser Zeit sollten die Behandlung, Therapie und Genesung im Vordergrund stehen. Auch Maßnahmen der Rehabilitation kommen in dieser Zeit bereits infrage.
Berufsunfähigkeit (BU)
Die Berufsunfähigkeit bezieht sich auf den Zustand, in dem jemand seinen erlernten Beruf nicht mehr in vollem Umfang ausüben kann. Es handelt sich dabei um eine langfristige Einschränkung, die über die Arbeitsunfähigkeit hinausgeht und auch dann bestehen bleibt, wenn die Person eine andere Tätigkeit ausüben kann.
Bei festgestellter Berufsunfähigkeit kann eine private Berufsunfähigkeitsversicherung eine BU-Rente zahlen, sofern die betroffene Person eine solche Police abgeschlossen hat. Eine gesetzliche BU-Rente gibt es in Deutschland seit der Reform der Rentenversicherung im Jahr 2001 nicht mehr. Die Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurde durch die Erwerbsminderungsrente ersetzt.
Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Absicherung ist es hier besonders wichtig, der Behandlung und Therapie sowie der medizinischen und beruflichen Rehabilitation eine hohe Bedeutung beizumessen.
Erwerbsminderung (EM)
Die Erwerbsminderung beschreibt eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben aufgrund gesundheitlicher Funktionseinschränkungen. Sie wird unterteilt in volle Erwerbsminderung und teilweise Erwerbsminderung.
Der wesentliche Unterschied zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung liegt in der Einschätzung der Leistungsfähigkeit, irgendeine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuführen. Ist dies nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich, liegt eine Erwerbsminderung vor. Zu den genauen Formen und dem Zugang zu einer Erwerbsminderungsrente informiert der vorherige Artikel dieser Reihe: Erwerbsminderungsrente Teil I: Formen und Zugang sowie ein kurzer statistischer Überblick.
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Die Erwerbsminderungsrente ist eine (Grund-)Absicherung der gesetzlichen Rentenversicherung bei Erwerbsminderung und kann befristet oder auf Dauer geleistet werden. Bezieht eine Person eine befristete Erwerbsminderungsrente, wird für den Zeitraum des Rentenbezugs nicht erwartet, dass sie einen Beruf ausübt oder eine neue Tätigkeit aufnimmt. Diese Zeit sollte genutzt werden, um Therapien und Behandlungen zu optimieren und durchzuführen sowie geeignete rehabilitative Maßnahmen anzuwenden. So kann zum Ende der Befristung der Erwerbsminderungsrente eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erreicht werden.
Studienlage
Die Studie „Wege psychisch Kranker in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit: Ansatzpunkte zu frühzeitiger Intervention in biografischen und krankheitsbezogenen Verlaufskurven (WEMRE-Studie)“ untersucht, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen in die Erwerbsminderungsrente gelangen und welche Chancen sie haben, wieder in Arbeit zurückzukehren. Die Studie zeigt, dass leider nur rund sechs Prozent der Betroffenen nach einer Erwerbsminderungsrente wieder erwerbstätig werden. Jüngere Menschen haben dabei bessere Chancen als ältere. Oft gehen der Erwerbsminderungsrente lange Krankheitsverläufe mit mehrfachen Krisen voraus. Entscheidend für eine mögliche Rückkehr in Arbeit sind unterstützende Maßnahmen wie Rehabilitation, Beratung und eine enge Begleitung. Die Studie betont, wie wichtig frühzeitige Hilfe und abgestimmte Unterstützung sind, um den Weg in die Rente zu vermeiden oder eine Rückkehr ins Arbeitsleben zu erleichtern.
Die Studie „Erwerbsminderungsrente abgelehnt! - Was wird aus den Antragstellern? Eine Analyse der gesundheitlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung von Antragstellern zwei Jahre nach Ablehnung des EM-Rentenantrags (ARentA-Studie)“ hat Menschen untersucht, die eine Erwerbsminderungsrente beantragt hatten, um ihre Situation und Perspektiven besser zu verstehen. Die Studie zeigt, dass viele der Betroffenen hofften, durch die Rente eine Entlastung und Verbesserung ihrer Lebenslage zu erreichen. Diese Erwartungen erfüllten sich jedoch im Großteil der Fälle nicht. Längere Krankheitsverläufe, psychische und soziale Belastungen sowie unsichere Arbeitsbedingungen erschwerten den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Auch diese Studie macht deutlich, dass die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente allein selten zu einer Stabilisierung führt – entscheidend sind unterstützende Maßnahmen und gezielte Begleitung, um die Lebensqualität und die Rückkehrchancen der Betroffenen zu verbessern.
Gesetzeslage
Am 01. Januar 2024 ist eine Gesetzesergänzung in Kraft getreten: § 43 Absatz 7 des SGB VI soll Eingliederungsversuche in den Arbeitsmarkt fördern, indem er Beziehenden von Erwerbsminderungsrenten ermöglicht, ihre Arbeitsfähigkeit zu erproben. Eine Arbeitserprobung ist möglich, bei der der Rentenanspruch für einen Zeitraum von sechs Monaten fortbesteht, auch wenn die Arbeitszeit das der Rente zugrunde liegende Leistungsvermögen überschreitet. Diese Regelung soll einen Wiedereinstieg ins Berufsleben ohne sofortige Gefährdung des Rentenanspruchs ermöglichen. Ein Abbruch der Erprobung, beispielsweise wegen Krankheit, schließt eine spätere erneute Erprobung nicht aus.