Von der Bühne ins Behandlungszimmer

Was passiert, wenn die Medizin nicht der einzige Lebenstraum ist? Was, wenn zwischen Physikum und Promotion eine Bühne ruft? Hier erzählt Michael Heinrich, wie er seiner Leidenschaft gefolgt ist, ohne die Medizin ganz aufzugeben. Es ist eine Geschichte über Ausbrüche und Rückkehr – und darüber, was bleibt: die Haltung, mit der man Menschen begegnet.

Michael Heinrich, Sänger des Indiepop-Duos KLAN

Erfolgreich: Michael Heinrich als Sänger des Indiepop-Duos KLAN.

Die Entscheidung für ein Medizinstudium gilt oft als Entscheidung fürs Leben. Doch was passiert, wenn sich auf diesem Weg neue Möglichkeiten eröffnen? Wenn eine verborgene Leidenschaft zur zweiten Karriere wird? Michael Heinrich ist Anfang 30 und hatte zunächst einen kreativen Weg eingeschlagen. Heute arbeitet er wieder als Arzt. Er hat an der Charité – Universitätsmedizin Berlin studiert und lebt in Berlin, einer Stadt, die Menschen mit vielseitigen Interessen anzieht. Zwischen Bühne, Forschung und Klinik zeigen sie: Auch jenseits klassischer Laufbahnen lässt sich Medizin gestalten.

Musikalisch sozialisiert

Heinrich stammt ursprünglich aus Leipzig, einer Stadt mit reicher Musik- und Kulturtradition. Seine musikalische Sozialisation begann früh mit dem Singen im Kirchenchor und später als Straßenmusiker. Diese Erfahrungen prägten seine Nähe zur Musik ebenso wie sein Gespür für unmittelbare Begegnungen mit Menschen. Er wollte Arzt werden und begann ein Medizinstudium an der Charité in Berlin. Während der klinischen Semester ergab sich jedoch eine unerwartete Gelegenheit: Gemeinsam mit seinem Bruder hatte er das Musikduo KLAN gegründet. Es folgte ein Vertrag bei einem Major-Label – ein Karrieresprung, der alles veränderte.

Die Entscheidung für die Musik bedeutete einen Bruch – nicht nur mit dem Studium, sondern auch mit den Erwartungen seines familiären Umfelds. Diese persönliche Spannung verarbeitete er in dem frühen Song „Mama“, einem seiner ersten veröffentlichten Titel. Darin setzt er sich offen mit den Erwartungen auseinander: Er besingt den Druck, den vorgezeichneten Weg des Medizinstudiums zu verlassen, und formuliert zugleich einen Appell an Verständnis und Vertrauen. Zeilen wie „Ich komme vom Weg ab, ein Trampelpfad entsteht, wenn man ihn geht“ zeigen, wie bewusst er diesen, seinen alternativen Weg gewählt hat.

Zwischen 2013 und 2024 war Heinrich professionell als Musiker tätig. In dieser Zeit veröffentlichte KLAN vier Studioalben, verkaufte mehr als 50.000 Tonträger und tourte durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bekannt wurde KLAN unter anderem mit dem Song „Nie gesagt“ (feat. Mia.), der über zwölf Millionen Mal gestreamt wurde.

In der Musik habe ich gelernt, dass das, was ich sage, nicht immer das ist, was bei den Menschen ankommt. In der Medizin ist es genauso.

Michael Heinrich

Abschied und Neuanfang

Trotz seiner musikalischen Erfolge blieb die Medizin für Heinrich immer ein innerer Anker. Während der pandemiebedingten Auftrittspause nahm er das Studium wieder auf. „Ich saß total dankbar in jeder Vorlesung und dachte: Wie toll, dass ich das gerade lernen darf“, erinnert er sich. Sein Wunsch, Verantwortung zu übernehmen und mit Menschen in existenziellen Situationen zu arbeiten, wurde immer stärker.

Im Jahr 2025 legte Heinrich an der Charité das Staatsexamen ab. Trotz seiner langjährigen Bühnenerfahrung war er vor der Prüfung nervös – ein Gefühl, das ihm zeigte, wie wichtig ihm dieser neue Lebensabschnitt war. Es folgte eine bewusste Auszeit, bevor er seine erste Stelle als Arzt in der Inneren Medizin antrat. Seine musikalische Laufbahn hat er mit einem Abschiedsalbum und einer letzten Tour abgeschlossen. Heute macht er Musik vor allem im Privaten, beispielsweise mit seiner kleinen Tochter. „Die Musik ist geblieben, aber in einem anderen Raum“: persönlicher, leiser, aber nicht weniger bedeutungsvoll.

Michael Heinrich auf Station.

Auf Station: Seit Mitte 2025 ist Michael Heinrich Arzt.

„Macht, was ihr machen müsst“

In der Medizin freut er sich besonders auf die sogenannte „erlebte Anamnese“, also die unmittelbare Begegnung mit Menschen, das Zuhören und das Verstehen hinter den Symptomen. „Die Entscheidung, die Musik aufzugeben, war hart – sie war ein Teil meiner Identität.“ Was bleibt, ist das Gespür für Zwischentöne: „In der Musik habe ich gelernt, dass das, was ich sage, nicht immer das ist, was bei den Menschen ankommt. In der Medizin ist das genauso.“

Heinrichs Rat an Studierende, die sich nach anderen Wegen sehnen: „Exmatrikuliert euch nicht. Macht, was ihr machen müsst – und wenn ihr zurückkommt, bringt das auch der Medizin etwas.“

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