Neue Standards in der Behandlung komplexer Schmerzverläufe

Rund zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Schmerzen, darunter viele in der Region Berlin-Brandenburg. Besonders häufig betroffen sind Frauen ab dem mittleren Lebensalter. Die klinischen Verläufe sind meist komplex: Es gibt körperliche und psychische Komorbiditäten, lange Krankengeschichten und multiple Vorbehandlungen. Im ambulanten und stationären System erleben Patient:innen häufig unkoordinierte Einzelmaßnahmen, was zu Frustration und Versorgungsabbrüchen führen kann. Um dies zu vermeiden, setzt das Caritas Schmerzzentrum Berlin in Zusammenarbeit mit dem Caritas Wirbelsäulenzentrum neue Standards in der Behandlung komplexer Schmerzverläufe.

Interdiziplinäre Schmerztherapie

Chronische Schmerzsyndrome erfordern oft mehr als nur symptomatische Maßnahmen. Sie benötigen eine Behandlungslogik, die Struktur, interdisziplinäre Expertise und Technologie sinnvoll kombiniert. Das  vom Caritas Schmerzzentrum Berlin in Zusammenarbeit mit dem Caritas Wirbelsäulenzentrum in Reinickendorf etablierte Modell bietet Patient:innen eine sektorenübergreifende Versorgung und entlastende Optionen für zuweisende Haus- und Fachärzt:innen.

Eine Einweisung über den stationären Weg ist beispielsweise bei chronischen Rückenschmerzen, neuropathischen Syndromen oder unklaren, therapierefraktären Schmerzzuständen möglich.

Wichtig für zuweisende Ärzt:innen

  • Einzelfallbesprechungen sind möglich, auch im Rahmen interdisziplinärer Fallkonferenzen.
  • Rücküberweisungen erfolgen mit differenzierten Therapieempfehlungen.
  • Die Einbindung in den regionalen Versorgungspfad erfolgt durch eine engmaschige Kommunikation mit der weiterbehandelnden Praxis.
  • Die zuweisenden Ärzt:innen sind eingeladen, bei operativen oder interventionellen Eingriffen mit Einblicken in moderne Verfahren wie der roboterassistierten Wirbelsäulenchirurgie oder Neuromodulation zu hospitieren.
  • Die perspektivische Mitbetreuung bei chronisch Schmerzkranken ist durch abgestimmte, sektorenübergreifende Langzeitstrategien möglich.

Der OSTKREUZ-Fotograf Dawin Meckel hat das Team des Caritas Schmerzzentrums in der Caritas-Klinik Dominikus in Berlin-Reinickendorf begleitet und dessen Behandlungsansatz dokumentiert. Dieser bietet alle Behandlungsmöglichkeiten von der nicht-operativen bis zur operativen Therapie mittels OP-Robotik.

Wir arbeiten mit einem integrativen Ansatz – nicht in Silos, sondern im Team. Jede Disziplin bringt ihre Perspektive ein, aber das Ziel ist immer dasselbe: die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten spürbar und nachhaltig zu verbessern.

Sebastian Ciupa,
Facharzt für Anästhesie und Leiter des Caritas Schmerzzentrums in Reinickendorf
Sebastian Ciupa, Zentrumsleiter, Caritas-Klinik Dominikus - Caritas Schmerzzentrum in Reinickendorf, Facharzt für Anästhesiologie sowie Spezielle Schmerztherapie

Multimodale Schmerztheapie

Zunächst können Schmerzpatient:innen an einem zweiwöchigen stationären multimodalen Programm teilnehmen. Dieses basiert auf den Vorgaben der AWMF-S3-Leitlinie zur Behandlung nichttumorbedingter chronischer Schmerzen. Während dieser Zeit sind sie auf der Komfortstation untergebracht. Dieses Umfeld stärkt die Therapietreue und bietet auch Raum für psychische Regeneration.

Therapieelemente der Multimodalen Schmerztherapie

  • Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation, Achtsamkeitstraining oder Musiktherapie
  • Physiotherapie und medizinisches Training, kombiniert mit physikalischer Therapie (u. a. Elektrotherapie, Wärme/Kälte)
  • Psychotherapeutische Begleitung in Einzel- und Gruppensettings zur Emotionsregulation und Aktivierung
  • Interventionelle Verfahren wie Triggerpunktbehandlungen oder CT-gesteuerte Nervenwurzelinfiltrationen
  • Medikamentöse Therapie, bei Bedarf inklusive Cannabinoidverordnung nach sorgfältiger Indikationsprüfung
  • Patientenedukation zur Förderung von Schmerzkompetenz und Selbstwirksamkeit
  • Erweiterte Diagnostik, zum Beispiel bei differenzialdiagnostischer Unsicherheit

Gerade bei komplexen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ist Präzision entscheidend. Die Robotertechnik erlaubt uns eine operative Sicherheit, die früher so nicht möglich war – mit messbar besseren Ergebnissen für unsere Patient:innen.

Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari,
Facharzt für Neurochirurgie, Leiter des Caritas Wirbelsäulenzentrums in Reinickendorf
Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Team-Chefarzt & Zentrumsleiter, Facharzt für Neurochirurgie

Roboterassistierte Wirbelsäulenchirurgie

Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, etwa bei instabilen Wirbelsäulenverhältnissen, rezidivierenden Bandscheibenvorfällen oder höhergradiger Degeneration, wird interdisziplinär über eine Operation entschieden. Dabei finden auch eine psychosoziale Evaluation sowie eine patientenzentrierte Risikoabwägung statt. Die Operation erfolgt dann in enger Kooperation mit dem Schmerzteam. Unter der Leitung von Tim Rumler-von Rüden und Dr. Kamran Yawari kommt eines der bundesweit wenigen ExcelsiusGPS®-Systeme zum Einsatz.

Die roboterassistierte Navigation ermöglicht Eingriffe mit höchster Präzision – das reduziert Komplikationen, beschleunigt die Erholung und verbessert die langfristigen Ergebnisse bei komplexen Fällen.

Tim Rumler-von Rüden,
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Leiter des Caritas Wirbelsäulenzentrums in Reinickendorf
Tim Rumler-von Rüden, Team-Chefarzt & Zentrumsleiter, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie

Neuromodulation

Nicht jeder chronische Schmerzverlauf lässt sich durch konservative oder chirurgische Maßnahmen ausreichend beeinflussen. Gerade bei komplexen, therapieresistenten Schmerzbildern kann die Neuromodulation einen entscheidenden Baustein in der individualisierten Versorgung darstellen – und das nicht als letzter Ausweg, sondern als gezielte Ergänzung im interdisziplinären Behandlungsprozess.

Neuromodulative Verfahren wie die Spinal-Cord-Stimulation (SCS) oder die periphere Nervenstimulation (PNS) zielen darauf ab, die Schmerzverarbeitung direkt auf neurophysiologischer Ebene zu  modulieren. Sie verfügen über einen hohen Evidenzgrad, eine stabile Langzeitwirkung und ein wachsendes Einsatzspektrum.

Insbesondere bei Durchblutungsstörungen oder Angina pectoris kann die Neuromodulation nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch Lebensqualität zurückgeben und den Handlungsspielraum bei fortgeschrittener Erkrankung erweitern.

Die Neuromodulation ist ein minimalinvasiver Eingriff mit enormem therapeutischem Potenzial. Bei bestimmten Indikationen erzielen wir eine Wirkung, die oft stärker ist als die vieler medikamentöser Optionen – und das bei einem sehr guten Sicherheitsprofil.

Dalibor Arapovic,
Facharzt für Neurochirurgie, Sektionsleiter Neuromodulation
Dalibor Arapovic, Oberarzt & Sektionsleiter Neuromodulation, Facharzt für Neurochirurgie

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