Kindermedizin in Berlin – eine Standortbestimmung

Um ein Kind von der Schwangerschaft der Mutter über die Geburt bis zum Erwachsenenalter gut zu versorgen, braucht es ein multidisziplinäres Team, das eine kindgerechte Versorgung sicherstellen kann. Wie aber sieht die Berliner Realität bei den beteiligten Gesundheitsberufen und in der Versorgung aus? Was es braucht und woran es mangelt.

Die Hebammen

Bereits vor der Geburt nehmen werdende Mütter die Beratungen von Hebammen in Anspruch. Der Berliner Hebammenverband zählte im Jahr 2023 knapp 1.000 Mitglieder, viele von ihnen werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Hier droht ein Fachkräftemangel. Vor einigen Jahren kam es zudem zu einer Änderung der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen: Die einzuzahlenden Prämien haben sich im Vergleich zu den 1980er-Jahren um das 170-Fache erhöht, sodass die Versicherungssummen von freiberuflichen Hebammen kaum noch zu stemmen sind. In der Geburtsklinik arbeitet dann ein Team aus Gynäkologie, Anästhesie und Neonatologie gemeinsam mit den Hebammen. Allerdings können diese Qualitätskriterien von vielen Geburtskliniken aktuell nicht erfüllt werden. In mindestens 10 von 19 Berliner Geburtskliniken arbeiten derzeit weniger Hebammen als empfohlen.

Die Pflegekräfte

Muss ein Kind stationär versorgt werden, werden die Eltern an Kinderkliniken verwiesen, die auf die ambulante und stationäre Versorgung von Kindern spezialisiert sind. Ärzt:innen arbeiten dort zusammen mit Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:innen.

Bis zum Jahr 2019 gab es in Berlin rund 240 Ausbildungsplätze für Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:innen. Seit dem Ausbildungsjahr 2020 wird eine neue generalistische Pflegeausbildung angeboten. Die bis dahin getrennten Ausbildungsgänge der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege wurden zusammengeführt. Interessierte Auszubildende können sich jetzt für eine Vertiefung in der pädiatrischen Versorgung entscheiden und ab dem 3. Ausbildungsjahr ist eine Spezialisierung mit einem gesonderten Abschluss zur bzw. zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:in möglich.

In der Hauptstadt können allerdings nur wenige Kliniken und Ausbildungsstätten diesen Ausbildungsweg anbieten: Die Reform „sorgt für Personalmangel auf Kinderstationen.“

Die Betten

Die Anzahl der pädiatrischen Betten ist in Deutschland in den vergangenen Jahren sukzessive gesunken. So kam es von 2018 bis 2020 zu einem Abbau von 455 Betten, von 2020 bis 2021 fielen weitere 288 Betten weg. Aktuell wird in Berlin der Neubau einer Kinderklinik geplant, damit mehr Platz für die Behandlung von Kindern zur Verfügung steht. Mit dem Neubau löst sich das bestehende Personalproblem im Bereich der Pflege allerdings nicht.

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Die Kinderärztin, der Kinderarzt

Um als Kinderärztin oder -arzt arbeiten zu können, muss zunächst die Hürde des Medizinstudiums gemeistert werden: Gegenwärtig bietet Deutschland rund 10.000 Studierenden pro Jahr die Möglichkeit zum Medizinstudium an. Eine Erhöhung der Anzahl der Studienplätze um 5.000 bis 6.000 fordern sowohl der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med. (I) Klaus Reinhardt als auch der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. med. Karl Lauterbach. Grund hierfür: Jede fünfte Ärztin bzw. jeder fünfte Arzt geht in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Deshalb soll bis zum Jahr 2025 das Zulassungsverfahren für Medizinstudierende vereinfacht werden, laut Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege hat die Charité – Universitätsmedizin Berlin für dieses Jahr 19 zusätzliche Medizinstudienplätze geschaffen.

Nach abgeschlossenem Studium schließt sich die Weiterbildungszeit in der Kinderheilkunde an. Die Zahl der Bewerber:innen für Weiterbildungsstellen in der Kinderheilkunde sind standortabhängig unterschiedlich, Berlin hat dabei bessere Chancen auf Bewerber:innen als etwa das Brandenburger Umland. Die Facharztprüfung für Kinder- und Jugendmedizin legten in den Jahren 2020 bis 2022 jedoch nur rund 45 Ärzt:innen pro Jahr bei der Ärztekammer Berlin ab. Damit kann die Zahl der in den kommenden fünf bis zehn Jahren in Rente gehenden Kolleg:innen – etwa 30 Prozent der niedergelassenen Ärzt:innen – nicht kompensiert werden.

Die sich derzeit in Weiterbildung befindenden Kinder- und Jugendmediziner:innen sind vorwiegend weiblich – etwa 80 Prozent der bis 34-Jährigen sind Frauen. Das zeigt auch die Mitgliederstatistik der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Zukünftig wird daher noch mehr Fokus auf die Aspekte rund um den Einsatz schwangerer Ärztinnen sowie auf Teilzeitmodelle gelegt werden müssen.

Die Versorgungslage

Die Daten zu den Versorgungsgraden der Berliner Bezirke durch Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendmedizin wurden schon sehr lange Zeit nicht aktualisiert. So entspricht die Bedarfsplanung bereits seit mehreren Jahren nicht mehr der Realität.

In diesem Jahr wurden laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Berlin 21,5 neue Niederlassungsmöglichkeiten in fünf unterversorgten Bezirken geschaffen.

Die Initiative

Das ist zwar ein Anfang, dennoch muss die Kinder- und Jugendmedizin bei der Gestaltung der Versorgungslandschaft künftig von Anfang an mitgedacht werden, fordert die Initiative der Berliner Kinderkliniken. Die Gruppe besteht aus Kinderärzt:innen aller Berliner Kinderkliniken und setzt sich seit mehreren Jahren für eine Vernetzung mit Berufsverbänden, einen Austausch mit Politik und Presse und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zum Wohl der kleinen Patient:innen ein. Nur mit ausreichenden Ressourcen – Personal, Material und Zeit – sowie mit verbesserten Weiterbildungsangeboten für junge Kinder- und Jugendmediziner:innen kann die Patientensicherheit zukünftig sichergestellt werden.

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