Gut vernetzt: die ambulante Versorgung älterer pflegebedürftiger Menschen verbessern

Aktuell ist jeder fünfte Mensch in Berlin älter als 65 Jahre. Es ist absehbar, dass der Anteil der älteren Menschen stärker zunehmen und der Anteil der Erwerbstätigen weiter abnehmen wird. Dieser Trend ist alarmierend für unser Gesundheitssystem und die Gesellschaft. Nun startet ein Projekt zu einer neuen Versorgungsform, die digitale, interaktive Unterstützung bietet: „Stay@Home – Treat@Home“.

Neue Versorgungsform und digitale Unterstützung

Da mit dem Alter auch der Pflegebedarf steigt, werden zukünftig immer mehr ältere Menschen von immer weniger jüngeren Menschen versorgt werden müssen. Aber schon jetzt stellen wir einen gravierenden Mangel an Pflegekräften sowie medizinischen Fachangestellten (MFA) fest. Zudem fehlen Hausärztinnen und Hausärzte, nicht nur auf dem Land, sondern auch in einigen Bezirken Berlins. Wir müssen davon ausgehen, dass sich diese Situation in den nächsten Jahren weiter verschlechtert. Ohne strukturelle Änderungen werden wir die Versorgung Pflegebedürftiger zukünftig nicht mehr sicherstellen können. Aktuell werden noch etwa 70 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, meist durch An- und Zugehörige. Sie sollten deshalb in die Versorgungsstrukturen mit eingebunden werden.

Zu Hause gut vernetzt medizinisch versorgt: „Stay@Home – Treat@Home“

Vom Bund geförderte Innovationsfondsprojekte erlauben es, neue Versorgungsformen zu erproben, die, wenn sie sich bewähren, in die Regelversorgung übernommen werden sollen. Ein solches Innovationsfondsprojekt, „Stay@Home – Treat@Home“ (STH), startet am 1. Oktober 2023 seine Interventionsphase. Unter der Konsortialführung der Charité – Universitätsmedizin Berlin sind unter anderem Hausärztinnen und Hausärzte, die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) sowie die Johanniter und der Malteser Hilfsdienst beteiligt. Im Rahmen des Projektes wird ein telemedizinisch unterstütztes transsektorales Kooperationsnetzwerk von der Nachbarschaftshilfe bis zur Notfallversorgung für ambulant pflegebedürftige Menschen in Berlin etabliert, das in erster Linie Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch den Rettungsdienst und die Krankenhäuser entlasten und dabei die Versorgungsqualität verbessern soll.

Ziel des Projektes ist es, mithilfe neuer Vernetzungen und Kommunikationsstrukturen akute Verschlechterungen des Gesundheitszustandes von ambulant Pflegebedürftigen frühzeitig zu erkennen und darauf zeitnah hausärztlich reagieren zu können. Insbesondere geht es darum, vermeidbare Krankenhausaufnahmen zu reduzieren und eine bestmögliche patientenzentrierte Versorgung im häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Das Innovationsfondsprojekt mit einer Fördersumme von insgesamt knapp neun Millionen Euro soll bis zum 30. September 2026 laufen.

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Neue Versorgungsform mit drei Innovationsansätzen

Das STH-Projekt zeichnet sich durch drei zentrale Innovationen aus:

  • Pflegebedürftige und ihre Betreuungspersonen (etwa An- und Zugehörige) werden stärker in die hausärztliche Gesundheitsbeobachtung und Kommunikation eingebunden.
  • Pflegebedürftige können – auch nachts – auf ein erweitertes Versorgungsnetzwerk zurückgreifen.
  • Ein Digitales interaktives Gesundheitstagebuch (DiG) unterstützt die präventive Versorgung sowie die Versorgung durch alle Akteur:innen im Akutfall.

Über das datenschutzkonforme DiG können Pflegebedürftige und ihre Betreuungspersonen niedrigschwellig ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt über gesundheitliche Veränderungen informieren. Damit bindet das DiG Betroffene durch die Möglichkeit der Dokumentation von gesundheitlichen Veränderungen aktiv in das System ein. Das DiG stellt alle Notfallstammdaten der Patientin oder des Patienten – aktuelle Diagnosen und Medikationspläne, Allergien, wichtige Kontaktdaten – sowie Patienten- und Notfallverfügungen bereit. Die notwendige regelmäßige Aktualisierung medizinisch relevanter Daten soll durch Hausärztinnen und Hausärzte sowie von geschulten Angehörigen oder anderen Begleitpersonen über eine einfach zu bedienende Webanwendung erfolgen.

Wenn ihre Hausärztin oder ihr Hausarzt nicht erreichbar ist, können sich die Pflegebedürftigen oder deren Betreuungspersonen über eine Sonderrufnummer beim ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin melden. Bei Akutfällen, die keine unmittelbaren Notfälle sind, kann die Leitstelle der KV Berlin dann in der Regel bedarfsgerecht Interventionen von der Entsendung eines Hilfsdienstes über ärztliche telemedizinische Beratung bis hin zur ärztlichen Behandlung vor Ort initiieren. Alle Akteur:innen können das DiG mit den jeweiligen rollenspezifischen Lese- und Schreibrechten nutzen und profitieren von den vorgehaltenen Informationen, etwa dem Medikationsplan, Diagnoselisten oder Kontaktinformationen der Angehörigen.

Das Versorgungsnetzwerk und seine Funktion grafisch aufbereitet

Das Versorgungsnetzwerk und seine Funktion

Die Grafik stellt das Versorgungsnetzwerk und seine Funktion dar. Die Basis ist die hausärztliche Versorgung, die über das DiG mit seinen aktuellen Informationen zum Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten erleichtert und verbessert wird. Auch die Versorgung im Akutfall durch KV-Bereitschaftsärzt:innen, Telemediziner:innen der Charité sowie die Hilfsorganisationen profitiert vom DiG mit allen darin vorliegenden Gesundheitsinformationen. Betroffenen Patientinnen und Patienten können so vermeidbare Krankenhauseinweisungen erspart werden. Zudem können sich Hausärztinnen und Hausärzte nach einem stattgefundenen Versorgungsfall anhand des DiGs sofort über gegebenenfalls durchgeführte Maßnahmen, Probleme oder auch Behandlungsempfehlungen informieren.

Projektverlauf und Teilnahme

Die Versorgungsstudie mit Anwendung in der Praxis startet am 1. Oktober 2023 und läuft bis zum 30. September 2025. Ab Herbst dieses Jahres können Sie als Hausärztin oder Hausarzt Ihre pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten zur Teilnahme am Projekt anmelden. Wesentliche Einschlusskriterien werden sein, dass die Patientinnen und Patienten mindestens 60 Jahre alt und mindestens in Pflegegrad 1 eingestuft sind – oder dieser aktuell beantragt ist. Sie müssen zudem in Berlin wohnen und eine betreuende Person muss aktiv eingebunden sein.

Infos & Kontakt

Mehr zum Thema

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf der Website www.sth-berlin.org.

Sie können sich von der projektbetreuenden Hausärztin Dr. med. Irmgard Landgraf beraten lassen, regelmäßig Vorab-Informationen zum Projektstart erhalten und sich über sie zu einem projektbegleitenden, im Oktober 2023 beginnenden Qualitätszirkel anmelden.

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