„Hast du Lust, mich morgen in den Zoo zu begleiten?“, fragt mein Nachbar. „Ich muss Ausflugsziele testen.“
„Aber ich bin erwachsen!“, wehre ich mich.
„Ich komme auch immer mit dir in die Werkstatt!“
Wo er recht hat, hat er recht. Am nächsten Tag fahren wir zusammen in den Zoo. Als wir ankommen, sind bis auf ein paar Tauben, zwei Krähen und einen versprengten Büffel keine Tiere zu sehen
„Das ist immer so“, schimpft mein Nachbar. „Die Löwen werden samstags ausnahmsweise drinnen gefüttert, die Tiger gar nicht, die Pandas sind beim Friseur, die Elefanten …“
„Wo sind denn die Elefanten?“, frage ich den Zoowärter, der soeben aus der Tür neben dem Außengehege tritt.
„Beim Arzt.“
„Bleiben wie immer nur die Robben.“
„Leider auch nicht.“
„Warum nicht?“
Mein Nachbar lacht. „Fußpilz?“
„Die Robben sind verlegt.“
„Was ist denn passiert?“
Der Zoowärter seufzt. „Die Robben haben Tuberkulose. Das wussten wir aber lange nicht, denn Robben klingen sowieso immer erkältet. Erst als die Elefanten anfingen zu husten, wurde die Tierärztin hellhörig und erinnerte sich, dass damals bei der großen Hochdruckreinigung das Wasser aus dem Robbenbecken versehentlich zu den Schabrackentapiren gespritzt wurde, welche wiederum ihr Gehege direkt neben den Elefanten hatten.“
„Eine astreine Infektionskette“, sagt mein Nachbar. Ich blicke ihn überrascht an.
„Ich hatte auch Pandemie“, sagt er.
„Und jetzt haben alle Elefanten Tuberkulose?“, frage ich.
„Alle bis auf einen. Der vierte hat simuliert.“
„Wieso denn das?“
„Sekundärer Krankheitsgewinn.“
„Haha.“
„Doch“, sagt der Zoowärter. „Elefanten sind schnell beleidigt, wenn sie nicht mitmachen dürfen. Und sie sind schlau. Aber keine Chance – der Auswurf von Heiner war sauber!“
„Wer ist Heiner?“
„Na, der Simulant.“
„Wie heißen denn diese armen Elefanten?“
„Heiner, Horst, Eva und Rosi.“
„Eva?“
„Eva ist doch ein schöner Name“, grinst mein Nachbar.
Ich boxe ihn in die Seite.
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„Wollen Sie jetzt die Geschichte hören?“
„Natürlich“, sagen wir.
„Also“, räuspert er sich: „Horst, Eva und Rosi hatten Tuberkulose und mussten therapiert werden. Analog zu Menschen mindestens sechs Monate lang mit mehreren Antibiotika.“
„Wie viel braucht so ein Elefant?“, frage ich.
„Sie stellen die richtigen Fragen“, freut sich der Zoowärter.
„Die Dosierung erfolgt gewichtsadaptiert, in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.“
„Jubel bei der Pharmafirma?“
„Das können Sie laut sagen. Das Problem war nur: Es hat ihnen nicht geschmeckt, und intravenös war ein Fiasko – am Ende blieb nur die rektale Gabe.“
„Heißt rektal das, was ich denke?“, fragt mein Nachbar. Der Zoowärter und ich nicken.
„Leider müssen die Elefanten vorher jedes Mal ihren Darm entleeren.“
„Machen die das selbst?“
„Nein, das mache ich“, seufzt der Zoowärter.
„Wie oft gibt man diese Medikamente?“, fragt mein Nachbar entsetzt.
„Dreimal täglich.“
„Sind wenigstens alle geheilt?“
„Unglücklicherweise nein. Das war eine XDR-Tuberkulose.“
Mein Nachbar zieht fragend die Augenbrauen hoch.
„Extensively drug resistant“, sagt der Zoowärter. „Fast nichts hilft.“
„Wie beim Zauberberg?“
Jetzt zieht der Zoowärter die Augenbrauen hoch.
„Zu Zeiten von Thomas Mann gab es noch keine Antibiotika. Da wurden die Leute monatelang in ein Sanatorium gesperrt.“
„Das machen wir jetzt auch. Deshalb sind die Elefanten ja drin.“
„Ich sehe schwarz für den Zoobesuch“, seufzt mein Nachbar.
„Wie wäre es mit dem Aquarium?“, frage ich.
„Wird renoviert“, sagt der Zoowärter.
„Tierpark?“
„Die Klasse läuft nicht gern.“
„Was ist mit der Werkstatt? Da muss der Van demnächst wieder hin.“
Mein Nachbar nickt begeistert: „Perfekt – da schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn ich muss ja sicher wieder mit.“