Das Rezept

Mal sarkastisch, mal humorvoll, aber immer ehrlich: Unsere Autorin, Frau Dr. Titel, blickt hier regelmäßig hinter die Kulissen und erteilt Ratschläge – quasi auf Rezept. Diesmal: eine Tasse Kaffee.

Eine Tasse Kaffee

Die Kombination aus Kaffee und Mediziner:innen scheint sich bewährt zu haben. Anders lässt sich nicht erklären, dass das Deutsche Ärzteblatt mittlerweile die Kategorie „Eine Tasse Kaffee mit“ beinhaltet, in der junge Ärzt:innen und ihre Karrierewege vorgestellt werden.

Liebe Teetrinker:innen, natürlich dürfen auch Sie jetzt weiterlesen. Ich kann Ihnen versichern, dass es den meisten Kaffeetrinkern im Grunde genommen nur ums Koffein als Wachmacher geht und nicht um den Genuss. Daher wage ich die These: „Egal, ob Koffein oder Teein, Hauptsache, ich überstehe den Nachtdienst!“ Damit widerspreche ich allerdings der Darstellung des Kardiologen Julian im Jack-Nicholson-Filmhit „Was das Herz begehrt“.

In Maßen genossen – also nicht in unfallchirurgischer Menge – kann Kaffee sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Studien deuten darauf hin, dass das Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer reduziert werden kann. Asthmatiker bekamen in Studien zudem leichter Luft, und eine antioxidative Wirkung könnte sich positiv auf die Haut auswirken.

Natürlich gibt es auch unter Mediziner:innen Kaffee-Enthusiast:innen, die genau Auskunft über Röstgrad, Mahlgrad, Wasserdruck und Wassertemperatur geben können und eine Pro-Kontra-Indikationsabwägung zwischen Siebträger, French Press und Handfilter durchführen. Auf den Erwerb der angeblich teuersten Bohnen der Welt (Kopi Luwak) sollte man aber unbedingt verzichten. Sie sind ein Produkt industrialisierter Tierquälerei, denn die besonderen Bohnen, die von Schleichkatzen gefressen und ausgeschieden werden, werden nicht zufällig in der Natur aufgesammelt, sondern sind das Ergebnis von Käfighaltung, Zwangsfütterung und Verendung – unter anderem aufgrund von Nährstoffmangel. Die Tiere bekommen nämlich zur Gewinnoptimierung nichts anderes zu fressen als Kaffeebohnen.

Ein Mittelding zwischen Tee- und Kaffee-Kultur stellt momentan wahrscheinlich der Matcha-Hype dar. Er ist bereits so weit fortgeschritten, dass das entsprechende Pulver weltweit knapp wird. Influencer:innen generieren schöne grüne Bilder und propagieren positive Effekte von Matcha bei der Gewichtsreduktion oder sogar in der Alzheimer- und der Krebstherapie. Diese ließen sich in klinischen Studien bislang jedoch nicht belegen.

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Wer sich einmal die Zeit nimmt, um sich mit den Ursprüngen des Kaffeegenusses vertraut zu machen oder wer selbst schon einmal Kaffeebohnen gepflückt hat, der wird auf eine Geschichte stoßen, die der Geschichte von Newtons Apfel in nichts nachsteht: So wird erzählt, dass der äthiopische Ziegenhirte Kaldi feststellte, dass seine Tiere nach dem Verzehr von Kaffeekirschen ungewöhnlich aufgedreht und aktiv waren. Er tat es seinen Ziegen gleich, probierte die Früchte und wurde so erster Zeuge der anregenden Wirkung des Koffeins.

Glücklicherweise hat zwischen Ernte und Genuss noch jemand die Röstung und das Aufbrühen dazwischengeschaltet. Wer dies einmal in seiner ursprünglichen Form erleben möchte, dem sei eine äthiopische Kaffeezeremonie empfohlen – in Berlin gibt es auch welche zu bestaunen. Da kann der global agierende „Sterntaler“ mit seinem „Decaf half skimmed venti latte“ einpacken. Eingepackt hat eben jene amerikanische Kaffeehauskette in ihrer Stammstadt Seattle zumindest auch sämtliches Mobiliar. So soll verhindert werden, dass die in der Innenstadt dahinvegetierenden Fentanylzombies es sich dort gemütlich machen. Seattle ist ein Verkehrsknotenpunkt für die Verteilung von Narkotika im gesamten Nordwesten der USA. Zwischen 2022 und 2023 stieg die Zahl der Fentanyl-Todesfälle um 47 Prozent auf 1067. Offener Drogenmissbrauch und obdachlose Süchtige lassen Seattle teilweise wie eine apokalyptische Stadt erscheinen (Bahnhof Zoo, Samstagnacht, hoch drei!).

Unser Berliner Äquivalent der Kaffeehauskultur verdankt seinen Namen übrigens einem Vetter, der aufgrund eines Magengeschwürs und seiner kardialen Disposition seit 1928 keinen Kaffee trank – es sei denn, man möchte Albert Einsteins koffeinfreien „Kaffee Hag“ als solchen bezeichnen. Sonst, liebe Teetrinker:innen, trank er schwarzen Tee. Dafür hat ein Professor für Chemie in der Nähe von Einsteins Wirkstätte der ETH Zürich an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften eigens ein Coffee Excellence Center gegründet. Hier beschäftigt sich eine führende Forschungsgruppe intensiv mit der Wissenschaft und Technologie des Kaffees.

Im Sinne der angewandten Forschung verschreibe ich Ihnen daher heute: eine Tasse Kaffee.

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