Macht uns das alles wirklich schlauer?
Das Smartphone ist unser ständiger Begleiter und stets im Einsatz. Wir nutzen Apps, die unseren Orientierungssinn ersetzen. Es gibt Apps, die uns durch Simultanübersetzung das Erlernen von Sprachen ersparen. Mit Diktierprogrammen müssen wir nicht mehr eigenhändig schreiben.
Aber macht uns das alles wirklich schlauer? Inzwischen wird sogar diskutiert, ob Schulkinder überhaupt noch Handschrift lernen müssen. Doch durch all diese technischen Gadgets werden Neuronen genauso isoliert wie ihre Besitzer – statt sich ständig neu zu vernetzen, wie es beim Sprachenlernen und händischem Schreiben der Fall ist. Nicht nur die „sozialen“ Medien, sondern auch die dazugehörigen mobilen Geräte, machen aus dem Herdentier Mensch individuell abgekapselte Wesen.
Neben der epidemiologischen Entwicklung und der pathophysiologischen Entstehung von „Handydaumen“ und „Smartphone-Nacken“ könnten Wissenschaftler:innen in jedem öffentlichen Verkehrsmittel erforschen, wie aus sozialen Wesen unsoziale Individuen werden. Der Blick ist auf den Bildschirm fixiert, die Ohren sind durch Noise-Cancelling-Kopfhörer abgeschirmt und körperlicher Kontakt wird durch auf den Nachbarsitzen als Barrikaden aufgebaute Taschen vermieden. Die grundsätzliche Bereitschaft, für mobilitätseingeschränkte Mitbürger:innen aufzustehen oder geschwächten Mitreisenden den Platz neben sich anzubieten, ist bestimmt noch vorhanden. Allerdings werden diese in einer solch abgeschirmten Sinnesblase gar nicht wahrgenommen.
Wären Menschen eine Familie von Erdmännchen, so würde sich der über ihnen kreisende Greifvogel sehr freuen. Erdmännchen passen aufeinander auf, scannen jederzeit die Umgebung und sind mit allen Sinnen wachsam. Das kann man jederzeit im Berliner Zoo beobachten. Wie langweilig wäre es hingegen, auf eine Familie Erdmännchen zu starren, in der jedes Mitglied vor sich auf einen Mini-Bildschirm starrt! Und wie wird die menschliche Entwicklung wohl erst aussehen, wenn sich die gerade vorgestellten AR-Brillen mit integriertem Display etabliert haben? Auf jeden Fall wäre es das Ende dieser Glosse, denn sie lebt von Beobachtungen.
Natürlich gibt es auch nützliche Apps, die sich mittlerweile in smarten Uhren befinden und die Herzfrequenz sowie den Blutdruck, den Kalorienverbrauch und die tägliche Schrittzahl messen. Doch wie bei jedem Gift ist auch hier die Dosis entscheidend: Zu extensiver Gebrauch kann in eine wahnhafte Selbstoptimierung ausarten.
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Gehen wir eigentlich überhaupt noch irgendwo ohne Smartphone hin?
Unbestritten sind digitale Anwendungen, vor allem in Bezug auf die immer stärkere Vernetzung mit künstlicher Intelligenz, auch im Gesundheitswesen hilfreich. Sie sind jedoch kritisch anzuwenden. Während die Potenziale auf dem Gebiet der Radiologie bei der Befundung standardisierter Röntgenbilder oder der Beurteilung der Auffälligkeit von Hautveränderungen in der Dermatologie liegen und hier die Anwendungen hier auch von den Mediziner:innen positiv bewertet werden, ist die reine Faktenabfrage mit KI durch Ärzt:innen kritisch zu bewerten. Neulich saß ich zur Reiseberatung bei meinem Hausarzt. Im Rahmen dessen las er mir die Empfehlungen vor, die die KI angesichts der von ihm eingegebenen Prompts zu meiner Reiseroute und Reiseart ausgegeben hatte. Danke, aber das hätte ich auch ohne den 3,5-fachen Satz hinbekommen.
Und wie wird die menschliche Entwicklung wohl erst aussehen, wenn sich die gerade vorgestellten AR-Brillen mit integriertem Display etabliert haben? Auf jeden Fall wäre es das Ende dieser Glosse, denn sie lebt von Beobachtungen.
Gehen wir eigentlich überhaupt noch irgendwo ohne Smartphone hin? Und wie schwer fällt es uns, für einige Zeit nicht auf dem Bildschirm herumzuwischen, nichts zu checken und unsere Aufmerksamkeit einer einzigen, analogen Sache zu widmen? Tatsächlich habe ich sowohl in der Philharmonie als auch bei einem Theaterbesuch nicht nur bei der jüngeren Generation durch das Aufleuchten diverser Bildschirm im Dunklen festgestellt, dass es anscheinend ein gerüttelt Maß an Selbstbeherrschung braucht, um nicht jede Gelegenheit zu nutzen, um eingehende Nachrichten, Markierungen, Likes oder die Entwicklung von Shitstorms zu checken.
Ein aktuelles Theaterstück, in dem es um die Vernetzung computerdegenerierter Welten mit unserer eigenen Lebenswirklichkeit geht, ist derzeit mit dem famosen Ulrich Matthes in der Hauptrolle am Deutschen Theater zu sehen.
In der Benutzung von KI-Assistenten steckt eine Gefahr für einsame Menschen, insbesondere für Jugendliche. Denn die KI ist stets freundlich, unterstützend, allzeit ansprechbar und geduldig. Zudem stellt sie bei kontinuierlicher Benutzung eine Art persönliche Beziehung her – ein Kennen“lernen“. Es ist dann leicht zu vergessen, dass hier kein Mensch kommuniziert und die Unterhaltung virtuell ist.
Im Museum für Kommunikation zeigt die Kabinettausstellung „New Realities. Stories von Kunst, KI & Arbeit“ fotorealistische KI-Bilder, die die Arbeit zwischen Menschen und KI beleuchten.
Interessant wäre die Frage, wie in der Zukunft eine körperliche KI-Assistenz, beispielsweise in Form von Pflege-Robotern (Roboter:innen, wenn wir schon dabei sind?), in Zukunft antizipiert wird. Werden wir im Alter alle eine enge emotionale Beziehung zu umserem persönlichen Pflegeroboter empfinden?
Bis es soweit ist, verschreibe ich Ihnen ab und zu ein Digital Detox, denn das Leben ist zu schön, um es nicht mit allen Sinnen analog wahrzunehmen. Gehen Sie also raus! Rascheln Sie im Herbstlaub, riechen Sie den ersten Schnee und nehmen Sie doch mal wieder die Menschen um sich herum doch mal wieder bewusst wahr.
Rp: Digital Detox.