Es ist wieder Heuschnupfenzeit.
Egal ob Erle, Esche oder Birke, viele Berliner:innen kämpfen konjunktivitisch und rhinorrhoeisch mit ihrem individuellen Schleimhautgegner. Selbst diejenigen, die vom Land (oder aus Schwaben) hergezogen sind und als Kinder unbehelligt direkt unter einer Birke spielten, werden von der Kombination aus Stadtpollen und Berliner Luftverschmutzung überwältigt.
Da hilft nur die Flucht in klimatisierte, geschlossene Räume!
Empfehlenswert ist in diesem Monat der Gropius Bau mit seiner Retrospektive „Yoko Ono: Music of the mind“. Frau Ono ist mittlerweile stolze 92 Jahre alt und erfreut sich bester Gesundheit, obwohl sie zwar aus Japan stammt – allerdings nicht aus Okinawa, einer der langlebigen „Blue Zones“ –, sondern aus der – ebenso wie Berlin – abgasbelasteten Metropole Tokio. Seit den 1970er-Jahren lebte sie mit Ehemann John Lennon im ebenso feinstaublastigen New York.
Dort bezogen die beiden das berühmte Dakota Building direkt an der pollenverseuchten grünen Insel namens Central Park. Ihre Neigung, ganze Tage im Bett zu verbringen und dort Journalist:innen zu Interviews und Friedensprotesten zu empfangen, könnte auch der Vermeidung außerhäuslicher allergischer Attacken geschuldet sein.
Dummerweise gingen die beiden im winterlichen und somit allergiker:innenfreundlichen Dezember schließlich doch vor die Tür: mit fatalem Ende, das selbst einen schweren anaphylaktischen Schock übertraf. Immerhin wachsen auf den „Strawberry Fields“, die an Johns Ermordung erinnern, verschiedene Pflanzen aus aller Welt, aber keine echten Erdbeeren. Eine Erdbeerallergie wächst sich zwar meist nach dem Kindesalter aus, aber immerhin ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung ist noch betroffen.
Angesichts aktueller Entwicklungen stellt sich die Frage, ob der Verzicht auf echte Erdbeeren zugunsten einer multikulturellen Bepflanzung nicht zu „woke“ ist und demnächst ein präsidiales Dekret erlassen wird, das eine Erdbeermonokultur fordert.
Monokultur bedroht auch die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung an US-Universitäten. Die Verbreitung evidenzbasierter Fakten steht auf dem Prüfstand. So erhalten das New England Journal of Medicine und andere Fachzeitschriften derzeit anwaltliche Fragebögen zur Offenlegung ihrer nicht in das Weltbild eines impfgegnerischen Gesundheitsministers passenden Publikationskriterien. Als Nebenwirkung der monokulturellen Engstirnigkeit werden Forschende auch schon mal wegen kritischer Privatchats bei der Einreise abgewiesen – in den Pandemiejahren mussten Reisende zumindest noch eindeutige körperliche Symptome wie Husten, Schnupfen und Fieber aufweisen, um in die Isolation geschickt zu werden.
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Apropos Pandemie: Triefende Nasen, juckende Augen und gereizte Atemwege führen in differenzialdiagnostischer Abwägung zu allergischen Hustenanfällen und Niesattacken in der Berliner U-Bahn nicht mehr reflexartig zu ängstlich-aggressiver Isolation. Die Welt hat derzeit neue Probleme und SARS-CoV-2 ist vergessen. Bei den meisten jedenfalls. Einige beharren auf „Aufarbeitung“ und meinen vermutlich „Entschädigung“ – als wäre eine eigen- und fremdschutztaugliche FFP2-Maske mit dem zu heißen Heißgetränk vergleichbar, das man sich über den Schoß geschüttet hat, ohne zu ahnen, dass es heiß sein würde.
Zudem sind die Entscheidungen der Vergangenheit nicht mehr zu ändern, und das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Oder besser gesagt, sind die Kinder in die Adipositasfalle, den Bewegungsmangel und die Smartphonesucht gefallen. Was wiederum den Nachteil hat, dass das kindliche Immunsystem keine Bekanntschaft mit Baum- und Strauchpollen machen kann und die Allergierate steigen wird. Bei
jeglicher retrospektiven Aufarbeitung ist zudem zwingend zu berücksichtigen, dass der Mensch hinterher immer klüger ist – weshalb gutachterliche Bewertungen von Behandlungsabläufen auch immer nur aus der Ex-ante-Perspektive erfolgen können.
Antihistaminika haben die überaus schöne Eigenschaft, dass sie leicht sedierend wirken. Damit ist auch die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt.
Ich wäre dafür, Antihistaminika in den Frühlings- und Sommermonaten generell ins Trinkwasser zu mischen. Dann bräuchten wir auch kein Cannabisgesetz mehr. Alle chillen auf Cetirizin, lassen das Auto stehen, die Luft wird besser, die Pollen milder und das Leben endlich wieder schön. Vielleicht käme die Welt so ein bisschen zur Ruhe.
In diesem Sinne mein Rezept für Sie: Rp: Cetirizin 10 mg 0-0-1.