Engagement mit Nebeneffekten
„Die Arbeit in der Stadtmission verhindert meinen Burnout.“ Ein Satz, der aufhorchen lässt. Christof Kurz ist leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie, im Helios Klinikum Berlin-Buch. Dort arbeitet er „hochspezialisiert“, wie er sagt. Sondierung von Gallengängen, Magenspiegelungen, Punktionen – alles aus dem Effeff. Dazu kommt die Verantwortung für ärztliche Mitarbeitende und die Versorgung der Patient:innen im stationären und ambulanten Bereich sowie die dazugehörenden Aufgaben: Personalführung und Abrechnung zum Beispiel. „Irgendjemand muss es schließlich machen“, sagt er und lächelt. Das klingt nach einem normalen Oberarzt-Job. Doch da ist noch die Sache mit der Stadtmission. Sie wirkt sich auch auf seinen Klinikalltag aus.
„Wenn in der Notaufnahme Leute von der Straße behandelt werden, kriege ich das eigentlich immer mit.“ Im Klinikum ist sein Wissen über Hilfsangebote für obdachlose Menschen gefragt. Kurz ist einer von wenigen, die sich damit auskennen – ein Nebeneffekt seines ehrenamtlichen Engagements. Seit 2019 geht er an zwei Tagen im Monat nach seinem Dienst in der Klinik noch in die Ambulanz der Berliner Stadtmission und versorgt dort obdachlos gewordene Menschen, die nicht krankenversichert sind. Manchmal 30 an einem Abend. „Warum verhindert ausgerechnet das deinen Burnout?“ – seine Aussage sorge ab und zu für Stirnrunzeln. Die Frage wird ihm öfter gestellt.
„Ich weiß nie, was mich erwartet, wenn die Tür aufgeht.“ Gerade das ist für ihn das Schöne an der Arbeit in der ärztlichen Sprechstunde: Es sind echte Begegnungen mit Menschen, die schwere Geschichten mit sich herumtragen und darauf angewiesen sind, dass ihnen jemand Hilfe anbietet. „Ich mache dort Allgemeinmedizin – vom entzündeten Auge bis zur vernachlässigten Wunde ist alles dabei“, erklärt Kurz im Gespräch. Auch psychiatrische Notfälle.
Ich mache in der Ambulanz der Berliner Stadtmission Allgemeinmedizin – vom entzündeten Auge bis zur vernachlässigten Wunde ist alles dabei.
Die Pandemie hat er als einen tiefen Einschnitt erlebt. „Das war sie für uns alle, aber für die Menschen auf der Straße noch wesentlich mehr.“ Denn anders als viele denken, müssen auch Obdachlose arbeiten. Alltägliche Dinge, die für sie überlebenswichtig sind, konnten sie plötzlich nicht mehr tun. Flaschensammeln zum Beispiel. Der Zugang zu vielen Orten war durch die Infektionsschutzbestimmungen eingeschränkt. Kurz setzte sich dafür ein, dass auch Menschen ohne festen Wohnsitz ein Impfangebot erhielten. So konnten auch sie sich wieder in Bahnhofshallen aufhalten. Aus dieser aus der Not geborenen Initiative ist inzwischen ein konstantes Angebot geworden: In der Stadtmission kann jeder, der das möchte, die von der STIKO empfohlenen Impfungen erhalten, inklusive gelbem Impfpass.
Die ehrenamtliche Arbeit in der Stadtmission übernimmt Kurz nicht nur, weil es den Bedarf dafür gibt. Er übernimmt sie auch, um selbst wieder mehr die Art von Freude an seinem Beruf zu spüren, die ihn einst dazu motivierte, Arzt zu werden. Dabei war das zunächst nicht unbedingt sein Traumberuf. „Eigentlich wollte ich Theologe werden. Und Maschinenbauer.“ Doch nach der Ausbildung zum Krankenpflegehelfer, die er während seines Zivildienstes in Bethel absolvierte, reifte der Entschluss, in die Medizin zu gehen. Gebürtig ist Christof Kurz Schwabe. Er studierte in Witten-Herdecke und kam dann nach seiner Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin über Zwischenstationen im Ruhrgebiet und im Bergischen Land vor 23 Jahren nach Berlin.
Fast bedauernd – und mit einem Augenzwinkern sagt er: „Leider werde ich so gut wie nie krank. Ich habe also nur meine vertraglich festgelegten Urlaubstage als Ausgleich zur Klinik.“ Die nutzt er, um zu verreisen. „Am liebsten mit dem Camper und meinem Fahrrad.“ Und was macht er sonst noch gerne zum Ausgleich? „Singen!“ Im Kirchenchor von Niederschönhausen, „einem der schönsten Stadtteile in Pankow“, findet er. „Da komme ich dann auch mal mit Leuten ins Gespräch, die nichts mit Medizin am Hut haben. Das ist sehr wichtig, gerade für uns Ärzte.“
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