Was die Krankenhausreform für Berlin bedeutet
Die Arbeiten am neuen Berliner Krankenhausplan, der 2026 in Kraft treten soll, sind durch die Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren – das sinnvollerweise abgewartet wurde – erheblich gebremst worden. Umso schneller sind nun alle Beteiligten gefordert, von der notwendigen Analyse zu sachgerechten und konkreten Planungen zu gelangen, um nicht von der weiteren Entwicklung überrollt zu werden.
Berlin hat dabei im Bundesvergleich nicht die schlechteste Ausgangsbasis, da seit 2016 zahlreiche Qualitäts- und Strukturvorgaben in der Krankenhausplanung verankert worden sind. Diese dürften nun vielen Häusern die Erfüllung der neuen Anforderungen erleichtern. Wesentlicher Aspekt der Reform ist der Übergang von einem kapazitiven Ausweis von Krankenhausbetten zur konkreten Planung in 65 medizinischen Leistungsgruppen. Diese sollen ausgehend vom bisherigen Bedarf mit Planfallzahlen hinterlegt werden. Aufgabe der Planungsbehörde ist es, die Leistungsgruppen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Voraussetzungen der Häuser hinsichtlich medizinischer Expertise, technischer und personeller Ausstattung aber auch der räumlichen Verteilung und Erreichbarkeit, ausgewogen und im Sinne einer flächendeckenden, fachlich gesicherten Versorgung zuzuweisen.
Immer auf dem Laufenden bleiben. Melden Sie sich hier für unseren Newsletter an.
Von proaktiv bis abwartend
Die qualitätsgesicherte und unter medizinischen Aspekten gebotene Zentralisierung komplexer Leistungen ist dabei ebenso zu berücksichtigen wie eine flächendeckende Grund- und Notfallversorgung im bewährten System der in Berlin bestehenden Notfallkrankenhäuser und -zentren. Die Bettenkapazitäten in Berlin sind im Bundesvergleich gut ausgelastet und bezogen auf die Einwohnerzahl eher gering. Ein Abbau erscheint daher auch vor dem Hintergrund der Aufgaben zur Berliner Umlandversorgung, dem Bevölkerungswachstum und der demografischen Entwicklung trotz angestrebter Ambulantisierungstendenzen eher überschaubar. Einige Träger und Häuser sind bereits proaktiv dabei, ihr Leistungsportfolio zu prüfen und anzupassen, Kooperationen auszubauen und Synergien zu nutzen, andere sind bislang eher abwartend unterwegs.
Beides hat seine Berechtigung, auch wenn niemand davon ausgehen kann, nicht betroffen zu sein. Der sinnvolle medizinische Ansatz der Reform besteht gerade darin, die Versorgungsaufgaben neu zu ordnen, um durch Zentralisierung Qualitätsvorteile zu realisieren. Umverteilung bei mutmaßlich eher sinkenden Kapazitäten bedeutet aber auch, dass stationäre Leistungen in allen Versorgungsebenen von Verschiebungen betroffen sein können. Im Idealfall kümmert sich jede Einrichtung um das, was sie am besten kann. Daher werden auch Einrichtungen der Universitätsmedizin und Maximalversorger Fälle abgeben müssen, die ihrer speziellen Expertise nicht bedürfen und an anderer Stelle gleich gut oder besser versorgt werden können. Die Gefahr der Überkonzentration sollte nicht unterschätzt werden und führt schon heute häufig zu nicht notwendigen Kapazitätsengpässen, unnötigen Wartezeiten, Überlastung von Personal und Strukturen und damit im Ergebnis zu Qualitätsverlusten. Probleme, die durch intelligente Steuerung vermieden werden können.
Weiterbildungsinhalte: Auswirkungen auf das Angebot
Ein positives Signal für die ärztliche Weiterbildung ist, dass diese durch ein System aus insgesamt kostenneutralen Zu- und Abschlägen berücksichtigt werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass hier genau differenziert und nicht mit der Gießkanne gearbeitet wird, um die richtigen Adressaten zu erreichen. Darüber hinaus wurde die längst überfällige Einführung einer ärztlichen Personalbemessung für Abteilungen der somatischen Krankenversorgung vereinbart. Hierzu sollen das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die Bundesärztekammer (BÄK) gemeinsam bis zum 30. September 2025 ein Konzept abstimmen und eine Kommission einrichten, die Empfehlungen zur Personalbemessung erarbeitet. Auch hier wird man genau hinsehen müssen, ob und welche Effekte dies auf die Patientenversorgung und die Weiterbildung hat.
Fest steht schon jetzt, dass die anstehenden Strukturveränderungen erhebliche Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung haben werden, weil ein höherer Spezialisierungsgrad der Kliniken und eine ausdifferenzierte Versorgungslandschaft zwangsläufig Auswirkungen auf die angebotenen Weiterbildungsinhalte haben werden. Es wird künftig eher die Ausnahme als die Regel sein, die Weiterbildung komplett an einer Klinik absolvieren zu können. Auch hierauf sollten sich die Kliniken rechtzeitig einstellen und tragfähige Konzepte entwickeln. Die Ärztekammer Berlin wird diese Veränderungen engmaschig und kritisch begleiten, da Qualitätsverluste in der ärztlichen Weiterbildung in unser aller Interesse inakzeptabel sind.
Ohne Umdenken wieder nur ein Schritt zur nächsten Reform
Hoffen wir, dass die anstehenden Reformen nicht nur zu Verbesserungen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in unserer Stadt führen, sondern auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten positiv beeinflussen. Zweifel daran sind mehr als berechtigt, denn die Triebfeder des Reformdrucks – die chronische strukturelle Unterfinanzierung, insbesondere durch eine nicht ausreichende Investitionskostenfinanzierung – bleibt. Da helfen weder eine halbherzige, fallzahlgesteuerte Vorhaltefinanzierung noch ein zur Hälfte aus dafür gar nicht vorgesehenen GKV-Mitteln gespeister Transformationsfonds. Ohne ein radikales und grundsätzliches Umlenken in der Finanzierung unseres Gesundheitssystems wird auch diese Reform nur ein Schritt zur nächsten, mit dann noch weitreichenderen Auswirkungen, bleiben.
Der medizinischen, technischen und wissenschaftlichen Entwicklung geschuldet, wird es immer einen „positiven“ Reformbedarf geben, der organisatorisch umgesetzt und finanziert werden muss. Die Mittel dafür bereitzustellen, ist Aufgabe der Gesellschaft, in der gerade wir als Ärzteschaft das Privileg haben, aktiv mitwirken zu können. Solange wir aber akzeptieren, dass der Gesundheit nur ein Wert zugemessen wird, der „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein darf und sich auf „das Notwendige“ beschränkt (§ 12 SGB V), dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir bei der nächsten Reform inmitten einer Rationierungsdebatte aufwachen.