Verschweigen Sie Fehler noch oder „cirsen“ Sie schon?

Im Jahr 2008 gründete sich das Netzwerk CIRS-Berlin. In diesem Zusammenschluss bündeln und besprechen Vertrauenspersonen aus Krankenhäusern Berichte aus den klinikinternen Berichts- und Lernsystemen und veröffentlichen besonders lehrreiche Ereignisse. Vormals Modellprojekt ist das Netzwerk CIRS-Berlin heute eine fest etablierte Institution für 37 Krankenhäuser in der Region Berlin-Brandenburg.

Netzwerk CIRS-Berlin: Statements von Teilnehmenden und Lesenden

Zum Jubiläum hat „Berliner Ärzt:innen“ am Netzwerk Teilnehmende gefragt, was sie an der Arbeit im Netzwerk schätzen. Von Lesenden wollten wir wissen, ob ihnen die Berichte aus dem Netzwerk in ihrem eigenen Arbeitsalltag weiterhelfen.

Das Netzwerk CIRS-Berlin feiert 15-jähriges Bestehen

Die zischelnde Abkürzung CIRS steht für den englischen Begriff „Critical Incident Reporting System“ und meint die Nutzung von Systemen, in denen Fehler und Beinahe-Schäden anonym gemeldet werden können, um diese unwahrscheinlicher und ihre Auswirkungen weniger gravierend zu machen. In der Luftfahrt schon seit den 1980er-Jahren etabliert, sind CIR-Systeme in Krankenhäusern spätestens seit 2016 fest in deren Risikomanagement verankert: Damals wurden Krankenhäuser verpflichtet, Fehlermeldesysteme einzurichten und in den Klinikalltag einzubinden.

 Attraktiv war das Netzwerk für viele Kliniken aber schon vorher. Das wird an der Anzahl der Netzwerkmitglieder deutlich: Bereits ein Jahr nach dessen Gründung beteiligten sich 19 Berliner Krankenhäuser am Netzwerk und ein Jahr vor der Verpflichtung, ein CIRS einzuführen, waren es schon 28. Heute sind 37 Krankenhäuser dabei.

Ärztekammer Berlin – hier laufen die Fäden zusammen

Betreiberin des Netzwerkes ist die Ärztekammer Berlin. Sie organisiert den Rahmen, moderiert die Treffen und sorgt für die Kommunikation nach innen und außen. In Zusammenarbeit mit der Steuergruppe kümmert sie sich um die inhaltliche Weiterentwicklung. Für die technische Umsetzung und die Veröffentlichung der Berichte ist vor allem die Bundesärztekammer zuständig.

Die Teilnahme am Netzwerk CIRS Berlin bietet uns die Gelegenheit, im geschützten Rahmen Fallstricke zu beleuchten und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Zuweilen decken wir in den Diskussionen Risiken auf, die wir als solche nicht wahrgenommen haben. Außerdem bietet das Anwenderforum eine tolle Gelegenheit zum kollegialen Austausch.

Teilnehmer:in des Netzwerkes CIRS-Berlin

Netzwerktreffen aller CIRS-Vertrauenspersonen

Das inhaltliche Herzstück des Netzwerkes CIRS-Berlin ist das Anwenderforum, auch Netzwerktreffen genannt. Dort tauschen sich die Entsandten von Krankenhäusern aus Berlin und Brandenburg alle zwei Monate über kritische Ereignisse aus. Gefragt nach der Motivation, beim Netzwerk CIRS-Berlin mitzumachen, sind die meisten Teilnehmenden begeistert von dem Effekt der Diskussionen und der offenen Stimmung, die bei den Treffen herrscht. Dass auf den Netzwerktreffen so offen über Fehler gesprochen wird, hat mit den klaren Prioritäten zu tun, die für die Meldesysteme und damit auch für das Netzwerk gelten: die Anonymität der Meldenden und die Sicherheit, dass Meldenden keine Strafen drohen. Denn es geht in Berichts- und Lernsystemen nicht darum, Schuldige ausfindig zu machen, sondern die Umstände eines Systems zu entlarven, die Fehler zur Folge haben können.

Straftaten sind keine Fälle für CIRS

Für die Meldung von Schadensfällen ist das Netzwerk CIRS-Berlin nicht gedacht. Auch für Straftaten ist CIRS nicht das Richtige – gibt es den Verdacht, dass eine Straftat vorliegt, muss diese über spezielle Kanäle des jeweiligen Krankenhauses gemeldet werden. Problematisch wird es für CIR-Systeme auch dann, wenn die Arbeitsbelastung so groß ist, dass das Krankenhauspersonal das Gefühl hat, keine Zeit mehr zu haben, um Fehler zu melden. Dies war beispielsweise während der Corona-Pandemie zu beobachten, als die Anzahl der Berichte vorübergehend eingebrochen ist. Dabei zahlt sich der Zeitaufwand für eine Meldung im Hinblick auf die zukünftige Arbeitszeit aus: Im besten Fall wiederholt sich der gemeldete Fehler nicht und Arbeitsprozesse laufen reibungsloser ab, wodurch die Mitarbeitenden Zeit hinzugewinnen.

Für die Effektivität von CIRS ist es besonders wichtig, dass die Meldenden positive Veränderungen aufgrund ihrer Berichte wahrnehmen und dass diese Veränderungen auch zeitnah erfolgen. Auf diese Art und Weise tragen CIR-Systeme und das Netzwerk CIRS-Berlin dazu bei, dass es selbstverständlich wird, Fehler als solche zu thematisieren und die benannten risikobehafteten Prozesse und Rahmenbedingungen zu verändern. Im Idealfall braucht es für die Kommunikation über Fehler irgendwann kein System mehr, weil in allen Köpfen angekommen ist: Wir können Fehler nutzen, um besser zu werden. Wer die Fehler macht, spielt dabei keine Rolle.

Die Berichte vom Netzwerk CIRS-Berlin lese ich bei den ‚Berliner Ärzt:innen‘ und mir fällt dabei auf, dass die Ursache für viele Fehler häufig in einer misslungenen Kommunikation liegt. Wenn die besser laufen würde, könnte man viele Fehler vermeiden.

Leser:in der Berliner Ärzt:innen
Gemeinsam aus Fehlern lernen

Netzwerk CIRS Berlin

Das Netzwerk CIRS Berlin ist ein regionales, einrichtungsübergreifendes Berichts- und Lernsystem. Hier arbeiten derzeit 32 Berliner und 4 Brandenburger Krankenhäuser gemeinsam mit der Ärztekammer Berlin und der Bundesärztekammer daran, die Sicherheit ihrer Patient:innen weiter zu verbessern. Dazu berichten die Kliniken aus ihrem internen CIRS in das regionale CIRS (Critical Incident Reporting System). Diese Berichte über kritische Ereignisse und Beinahe-Schäden werden in anonymisierter Form im Netzwerk CIRS Berlin gesammelt.

Im Anwender-Forum des Netzwerks werden auf Basis der Analyse der Berichte praktische Hinweise und bewährte Maßnahmen zur Vermeidung von kritischen Ereignissen ausgetauscht.

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