3 Fragen zum Friede Springer Cardiovascular Prävention Center

An der Charité – Universitätsmedizin Berlin entsteht aktuell ein neues Präventions- und Forschungszentrum für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Den Aufbau des Zentrums fördert die gemeinnützige Friede Springer Stiftung in den kommenden Jahren mit bis zu 70 Millionen Euro. Das Land Berlin unterstützt das Vorhaben mit weiteren sieben Millionen Euro.

Univ.-Prof. Dr. med. Ulf Landmesser
Interview mit
Prof. Dr. med. Ulf Landmesser

Direktor Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin | CBF
Direktor Friede Springer-Cardiovascular Prevention Center

Foto: Charité - Universitätsmedizin
Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen
Interview mit
Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen

Seniorprofessorin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Direktorin Friede Springer-Cardiovascular Prevention Center

Foto: Charité - Universitätsmedizin

Redaktion: Wie ist die Idee zum Friede Springer Cardiovascular Prävention Center (FS-CPC) entstanden und welche Ziele verfolgen Sie?

Prof. Dr. med. Ulf Landmesser (UL): Ich freue mich sehr über die großzügige Unterstützung unserer Initiative durch Dr. Friede Springer und den Senat von Berlin. Als Kardiologe sehe ich täglich in der Klinik die Komplikationen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen und wir wissen, dass viele dieser Erkrankungen eine sehr lange Vorlaufphase haben und durch ein wissenschaftsbasiertes Präventionskonzept weitgehend vermeidbar wäre.

Das hat die Idee getriggert: Können wir nicht besser werden in der Prävention dieser klinischen Komplikationen? Mit dem FS-CPC wollen wir neue Wege gehen, denn es gibt ganz spannende Entwicklungen im Bereich der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wir wollen beispielsweise in der Bildgebung subklinischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen Akzente setzen: Wie können wir Erkrankungen und die Risiken, die damit verbunden sind, erkennen, bevor die Betroffenen diese bemerken, sie Beschwerden oder im schlimmsten Fall tödliche Komplikationen haben? Wie können wir die Genetik nutzbar machen, um Herz-Kreislauf-Risiken besser zu charakterisieren? Wie können wir neue Wege im Bereich der Prävention unter Nutzung der Möglichkeiten der digitalen Gesundheit gehen? All diese Themen erarbeiten wir und bringen wir im FS-CPC mit einem fantastischen Team voran. 

Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen (EST): Als Ärzt:innen haben wir jeden Tag mit den kardiovaskulären Endpunkten Herzinfarkt, Schlaganfall und akutes Koronarsyndrom zu tun. Die Ursachen und Risiken, dass Menschen diese Erkrankungen erleiden müssen, kennen wir zum allergrößten Teil: Das sind etwa das hohe Cholesterin, das Lipoprotein (Lp(a)), der hohe Blutdruck, die Zuckerkrankheit, das Rauchen, das Übergewicht und der Mangel an Bewegung.

Wir wissen, wenn wir diese Risikofaktoren vermindern oder vermeiden, dass diese Krankheiten und deren Folgen behandelbar sind. Allerdings addieren sich diese Risikofaktoren nicht in ihrer schlechten Wirkung: sie potenzieren sich. Deshalb haben wir uns im FS-CPC das Ziel gesetzt, diese und andere Risikofaktoren in einem ganz frühen Stadium zu entdecken und mit entsprechenden Interventionen bei den betroffenen Personen zu verhindern. Unser Ziel ist es, dass kardiovaskuläre Endpunkterkrankungen erst gar nicht entstehen.

Das zu erreichen ist allerdings nicht einfach. Zu unserem ganzheitlichen Ansatz gehören nicht nur die genannten klassischen Risikofaktoren, sondern auch psycho-soziale Einflussfaktoren wie Bildung, die soziale Herkunft, Neugierde, Stressempfinden oder etwa Einsamkeit. Außerdem widmen wir uns besonders den genetisch determinierten Risikofaktoren wie hohem Cholesterin und Lp(a). Wir sind davon überzeugt, dass nur ein umfassender Ansatz wirksam zur Vermeidung von kardiovaskulären Endpunkterkrankungen führt. Dieser hereditäre Anteil der Risikofaktoren soll in unserem Projekt so früh wie möglich detektiert werden, um hier rechtzeitig zu intervenieren, insbesondere in einem Stadium, in dem diese genetisch determinierten Faktoren noch nicht die volle Ausprägung haben. Des Weiteren ist eines unserer Ziele, dass alle Proband:innen dieser Kohorte zu Expert:innen für die eigene Gesundheit werden. Dafür sind eine umfassende Bildung und eine dauerhafte Adhärenz bezüglich eines gesunden Lebensstils nötig.

Ein Blick auf unsere aktuellen Versorgungsstrukturen und deren Möglichkeiten zeigt, dass langfristige Forschungsförderungsprogramme zum Thema Prävention in Deutschland eher selten sind. Deshalb ist es eine außerordentliche Chance, die Förderung für dieses ehrgeizige und langfristige Projekt aus privater Hand, der „Friede Springer Stiftung“, bekommen zu haben.

Wir wollen einen Akzent setzen und zeigen, wie wir die Medizin der Zukunft gestalten können.

Prof. Dr. med. Ulf Landmesser,
Direktor Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin | CBF

Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung?

EST & UL: Im Moment befinden wir uns im Aufbau des Präventionszentrums, das auf dem Campus Benjamin Franklin der Charité entsteht. Der ganzheitliche Ansatz erfordert unterschiedliche Forschungsprojekte sowohl auf der Makroebene als auch auf der Mikroebene, die auf einem hoch aggregierten Niveau zusammen arbeiten. Wir haben deshalb die Struktur verschiedener Forschungsmodule gewählt. Erste Module haben bereits mit dem Aufbau und ihrer Arbeit begonnen.

Um die hier kurz skizzierten Ziele zu erreichen, werden wir zunächst eine Gesamtkohorte von rund 5.000 Personen aufbauen. In diese Kohorte nehmen wir Proband:innen jeden Alters auf: Menschen, die als Herz-Kreislauf„gesund“ eingeschätzt werden, und Menschen, die schon in jungen Jahren, beispielsweise vor dem 55. Lebensjahr, eine kardiovaskuläre Endpunkterkrankung durchgemacht haben. Besonders wichtig ist uns dabei die Untersuchung von neuen Interventionen für eine personalisierte Herz-Kreislauf-Prävention.

Außerdem werden wir Kinder in die Kohorte aufnehmen, bei denen wir vorab zum Beispiel ein Neugeborenen-Screening bezüglich kardiovaskulärer Risikofaktoren, vor allem auf erhöhtes Cholesterin, vorgenommen haben. Bei den „positiv“ auf hohes Cholesterin getesteten Neugeborenen werden wir beide Elternteile ebenfalls einladen, Proband:innen in unserer Kohorte zu werden. Bei ihnen und deren Kindern werden in aller Regel noch keine Manifestationen von kardiovaskulären Endpunkterkrankungen vorliegen. Durch unsere Interventionen und insbesondere durch unsere Bildungsarbeit mit diesen Proband:innen wollen wir erreichen, dass sie keine kardiovaskulären Endpunkterkrankungen entwickeln. Somit sind sie innerhalb der Gesamtkohorte eine wichtige Teilkohorte.

Wie lautet Ihre Zukunftsvision für das Center?

EST: Wir wollen zeigen, dass Herzinfarkte vermeidbar sind.

UL: Wir wollen einen Akzent setzen und zeigen, wie wir die Medizin der Zukunft gestalten können: durch eine gezielte Ausrichtung auf die Prävention klinischer Komplikationen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Wir freuen uns über Ihr Feedback!

Ja
Nein

Vielen Dank!

Zur Ärztekammer Berlin