Choreografie der Demokratie
Was nun folgte, kann man wohl als einen gemeinschaftlichen Kraftakt bezeichnen. Alle Mitarbeitenden des Hauptamtes waren bereits Wochen vorher von der Wahlkoordinatorin über ihren Einsatz informiert und in Arbeitsgruppen eingeteilt worden. Doch vor der Auszählung der Wahlbriefe wurde zunächst das Ergebnis der Online-Wahl aufgerufen und heruntergeladen. Dabei war es unter anderem wichtig auszuschließen, dass Wahlberechtigte ihre Stimme sowohl online als auch brieflich abgegeben hatten. Danach galt es, kistenweise Wahlbriefe zu öffnen, ihren Inhalt zu sichten und zu sortieren. Mit verschiedenen Arbeitsstationen wurde man der Masse Schritt für Schritt erfolgreich Herr. Wie bei einem Uhrwerk griff ein Rad ins andere. Klackernde Maschinen, rollende Wagen mit unzähligen Kisten, eine mächtige Batterie von Scannern: die Choreografie der Demokratie. Das alles lief unter den aufmerksamen Augen der sechs Mitglieder des Wahlausschusses. Sie begleiteten interessiert jeden Arbeitsschritt der Mitarbeitenden und beobachteten diese gewissenhaft, unter anderem durch das Ziehen zahlreicher Stichproben.
Auf intensive Arbeitsintervalle folgten immer wieder kleinere Pausen. Sei es, dass die Maschinen zum Öffnen der Briefe abgekühlt, weitere Brieföffner beschafft, die Stimmzettel von Kleberesten befreit oder zweifelhafte Stimmen aussortiert und vom Wahlausschuss entschieden werden mussten. Dabei zeigten sich einige Kuriositäten: So hatte ein Wahlbrief die erstaunliche Größe eines kleinen Pakets. Beim Öffnen kamen mehrere zusammengerollte Stimmzettel zum Vorschein; dieser Wahlbrief konnte nicht berücksichtigt werden. Der Bedarf an Schmierzetteln scheint mancherorts hoch zu sein, wenn man sich die Anzahl der zugeschnittenen Wahlbögen vor Augen führte. Allerdings konnte die Mehrzahl dieser Stimmen als gültig gewertet werden, da keine Zweifel an der Geltendmachung des Wahlrechts bestanden. Auch das Zukleben der Wahlbriefe sowie Stimmzettelumschläge gelang nicht in jedem Fall. Ein folgenschweres Versäumnis, denn diese Stimmen konnten nicht gezählt werden.
Erste Eindrücke von den Auszählungstagen
Ein Kreuz für Veränderung
Am Rande des emsigen Treibens rätselte man über die Gründe der zu geringen Wahlbeteiligung von knapp 34 Prozent. „Demokratie lebt vom Mitmachen“ war doch die Losung dieser Kammerwahl. Was hielt die Kammermitglieder ab? War es Verdruss, Überforderung, Bequemlichkeit, Indifferenz? Oder der Glaube, dass die eigene Stimme sowieso nichts bewegt? Das wäre allzu traurig, nein gefährlich für unser freiheitlich-demokratisches System. Dabei war es diesmal so einfach wie nie zuvor. Die alternative elektronische Wahl erlaubte das Votum mit nur wenigen Klicks.
Eine Maschine kann auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden, während Teile eines lebenden Organismus nur in Beziehung zueinander arbeiten können. Die Kammer lebt vom Ehrenamt und die Kammermitglieder können sich auf ihre Kammer verlassen. Es braucht also Engagement – und das beginnt mit einem Kreuz. Mit diesem Kreuz kann das Kammermitglied Veränderung anstoßen.
In den frühen Abendstunden des 7. Dezember war es dann so weit. Erwartungsvoll sah eine kleine Gruppe im Foyer der Kammer der Verkündung des Wahlergebnisses entgegen. Dr. med. Roland Urban, stellvertretender Vorsitzender des Wahlausschusses, beendete das Hochamt der Demokratie, indem er den Versammelten die Wahlergebnisse der Kammerwahl 2023 vortrug.
Am 24. Januar 2024 tritt die neue Delegiertenversammlung erstmals zusammen. In dieser konstituierenden Sitzung werden dann die bzw. der neue Präsident:in und die bzw. der Vizepräsident:in sowie der Vorstand der Ärztekammer Berlin gewählt.
HAUSÄRZTINNEN UND HAUSÄRZTE IN BERLIN (Wahlvorschlag Nr. 1)
„Als eine der wenigen konnte der Berlin-Brandenburgische Hausärzteverband Stimmen hinzugewinnen. Danke dafür! Dass es nicht für einen weiteren Platz in der Delegiertenversammlung gereicht hat, nehmen wir als Ansporn. Wir starten mit einem Team aus Kammererfahrenen – und einem frischen Blick von außen. Aus der Verteilung unserer Wählerstimmen nehmen wir den Auftrag mit, uns besonders in den Bereichen Weiterbildung und Digitalisierung zu engagieren. Wir planen für die kommende Wahlperiode den regelmäßigen Austausch mit der hausärztlichen Basis – es braucht mehr Praxis in der Kammer!“
FrAktion Gesundheit (Wahlvorschlag Nr. 2)
„Wir danken allen Ärzt:innen, die uns zur zweitstärksten Kraft gemacht haben. Natürlich hätten wir uns mehr gewünscht und bedauern auch, dass der Marburger Bund trotz im Wahlkampf vieler verwandter Themen die Möglichkeit einer Zusammenarbeit nicht ausloten wollte. Wir halten dies für eine verpasste Chance für eine moderne Kammerpolitik. Umso mehr werden wir als Opposition die Einhaltung vieler Wahlversprechen einfordern und uns dafür einsetzen, dass die Kammer ihr politisches Potenzial besser nutzt.“
Marburger Bund (Wahlvorschlag Nr. 3)
„Wir sagen Danke und freuen uns sehr über das Wahlergebnis! Wir sind angetreten, um Kammer für alle Ärzt:innen Berlins zu machen. Mit dem uns gegebenen Mandat werden wir unsere Ärztekammer gerade in ihren Kernkompetenzen der Weiter- und Fortbildung nahbar, ansprechbar und stets helfend für alle Mitglieder organisieren. Hier müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Genau dies werden wir mit einem motivierten, generationsübergreifenden, paritätischen und sektorenübergreifenden Team tun.“
Hartmannbund Plus (Wahlvorschlag Nr. 4)
„Wir freuen uns, auch als kleine Liste wieder aktiv die Geschicke der Berliner Ärztekammer mitgestalten zu dürfen. Das Wahlergebnis zeigt, dass es eine ständige Herausforderung bleibt, die tendenziell eher langfristig angelegte Kammerarbeit einer breiten Basis der Ärzt:innenschaft zu vermitteln. Unsere Zielsetzung bleibt in den nächsten Jahren bestehen: Wir wollen, dass wir im medizinischen Alltag wieder die ärztliche Berufung leben können, denn das ist es, wofür wir Ärzt:innen geworden sind. Wir sind für das Aufbrechen verkrusteter Strukturen, die die Freiheit unserer Berufsausübung behindern und für flexiblere Karrieren zwischen den Sektorengrenzen.“
Liste Integrative Medizin - LIMed Berlin (Wahlvorschlag Nr. 5)
„Die Liste Integrative Medizin – LIMed – ist in Berlin erstmals zur Wahl der Delegiertenversammlung der Ärztekammer angetreten. Wir haben einen Sitz erreicht, ein großer Erfolg für uns. Otto Ziehaus wird das Mandat einnehmen. Die Belange der Integrativen Medizin haben jetzt eine Stimme in der Ärztekammer. Damit ist unsere Arbeit vorgegeben: dieser Stimme bei wichtigen berufspolitischen Entscheidungen Gehör zu verschaffen.“
ALLIANZ BERLINER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE – MEDI Berlin – Virchowbund (Wahlvorschlag Nr. 6)
„Wir danken allen Wählerinnen und Wählern, die uns ihre Stimme gegeben haben. Mit diesem Mandat werden wir uns auch weiterhin in der Kammer für gute Weiterbildung und mitgliederfreundliche schnelle Kammerstrukturen einsetzen. Die niedrige Wahlbeteiligung und unser Wahlergebnis motivieren uns zu einem noch stärkeren Zusammenschluss und der Bündelung unserer Kräfte in Zeiten der Bedrohung des Erhalts der Versorgung und der sie erbringenden Ärzteschaft. Wir wollen über die Aufgaben und Möglichkeiten der Berliner Ärztekammer mehr informieren, damit sie als Sprachrohr der Berliner Ärzteschaft öffentlicher wird und mehr wahrgenommen werden kann.“